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Predigt zum 5. Ostersonntag von Pfarrer Karl Feser

An einem lauen Sommerabend oder auch an einem Maiabend, so es denn etwas wärmer wird, gemütlich im Stuhl zu sitzen und einen guten Wein genießen, das erfreut doch das
Herz. Da ich Mainfranke bin, sollte es für mich ein guter Frankenwein sein, ein trockener Silvaner. Einen Wein sollte man in Ruhe genießen und nicht einfach weg trinken, denn bis so ein
guter Wein entsteht, braucht es viele Arbeitsabläufe durch den Winzer und den Kellermeister. Legte man früher viel wert auf die Menge, so ist es heutzutage die Qualität, die gefordert
ist. Diese Qualität kommt nur zustande, wenn in einem ersten Schritt der Winzer den Weinstock ausschneidet. Alles was nicht danach aussieht, dass gute Triebe entstehen
werden, wird weggeschnitten, damit der Weinstock nicht unnötig Kraft in alle Reben gibt, sondern nur in die, die eine gute Frucht erwarten lassen.


Damit sind wir bei dem Bildwort, das im heutigen Evangelium verwendet wird.Jesus sagt: „Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer.“ Wie schon am letzten Sonntag im Evangelium, so verwendet Jesus auch heute einen Titel, der aus der jüdischen Tradition stammt. Am letzten Sonntag hieß es: „Ich bin der gute Hirte“, das ist ein Titel, der auf Gott verweist.
Jesus nimmt einen Gottestitel um zu sagen: „Ich bin der Gesandte Gottes, ich bin der Sohn Gottes.“ Am heutigen Sonntag heißt es: „Ich bin der wahre Weinstock“, das ist ein Titel, der auf das Volk Israel verweist. So lesen wir im Buch des Propheten Jesaja das Lied vom Weinberg, in dem der Weinstock eingepflanzt ist (Jes 5, 1-7): 1 Ich will ein Lied singen von meinem geliebten Freund, /ein Lied vom Weinberg meines Liebsten. Mein Freund hatte einen Weinberg / auf einer fruchtbaren Höhe. 2 Er grub ihn um und entfernte die Steine / und bepflanzte ihn mit den edelsten Reben. Er baute mitten darin einen Turm / und hieb eine Kelter darin aus. Dann hoffte er, / dass der Weinberg süße Trauben brächte, / doch er brachte nur saure Beeren. 3 Nun sprecht das Urteil, Jerusalems Bürger und ihr Männer von Juda, / im Streit zwischen mir und dem Weinberg! 4 Was konnte ich noch für meinen Weinberg tun, / das ich nicht für ihn tat? Warum hoffte ich denn auf süße Trauben? /Warum brachte er nur saure Beeren? 5 Jetzt aber will ich euch kundtun, / was ich mit meinem Weinberg mache: Ich entferne seine schützende Hecke; / so wird er zur Weide. Seine Mauer reiße ich ein; / dann wird er zertrampelt.6 Zu Ödland will ich ihn machen. / Man soll seine Reben nicht schneiden / und soll ihn nicht hacken; Dornen und Disteln werden dort wuchern. / Ich verbiete den Wolken, ihm Regen zu spenden.7 Ja, der Weinberg des Herrn der Heere / ist das Haus Israel und die Männer von Juda sind die Reben, / die er zu seiner Freude gepflanzt hat. Er hoffte auf Rechtsspruch - / doch siehe da: Rechtsbruch, und auf Gerechtigkeit - / doch siehe da: Der Rechtlose schreit.


Jesus ist der wahre Weinstock, der gute Früchte hervorbringt. Dazu ist es nötig, dass Gott, der Winzer, Hand anlegt und den Weinstock ausschneidet. Die guten Reben lässt er am
Weinstock, die schlechten, bei denen kein Ertrag zu erwarten ist, schneidet er ab.Der Winzer muss die Reben ausschneiden und reinigen, um den Rebstock zu optimieren. Alles, was nichts bringt, was verdorrt, vertrocknet, leblos ist, nimmt dem Weinstock Kraft für die guten Reben. Also wird die Schere angesetzt und es wird abgeschnitten.Einen guten Ertrag gibt es nur durch entsprechende Pflege.Nun könnte man in Angst verfallen:O Gott, bringe ich genug Leistung?Bin ich eine gute Rebe, die Früchte vorzuweisen hat?Muss ich mich als Christ mehr engagieren?Sollte ich mehr gute Werke vorweisen können?Bin ich am Schluss die Rebe, die abgeschnitten wird und ins Feuer geworfen wird?


Dieses Denken wird dem Bild vom Weinstock nicht gerecht! Es geht bei diesem Bild nicht um Leistun, sondern um Beziehung! Der Weinstock ist ein Beziehungssystem. Die Wurzeln holen mit Hilfe des Wassers die Nährstoffe aus dem Boden. Der Rebstock nimmt die Nährstoffe auf und gibt sie an die Reben weiter. Die Reben schließlich nehmen die Nährstoffe auf und bilden zunächst Blätter, damit der Weinstock das Licht und die Wärme der Sonne aufnehmen können und schließlich bilden sich an den Reben die Früchte, die Trauben. Ist die Rebe nicht mit dem Weinstock in Verbindung, so kann sie keine Nährstoffe aufnehmen und folglich auch keine Früchte hervorbringen.Es geht um die Beziehung und um den Lebensstrom, der fließt.
Es braucht die enge Verbindung von Weinstock und Reben, damit ein Lebensstrom fließt und die Reben ihre Frucht bringen können.„Ohne mich könnt ihr nichts tun“, sagt Jesus. Wie die Reben auf den Weinstock angewiesen sind, so sind die Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu, so sind die christlichen Gemeinden auf Jesus angewiesen, auf die Lebenskraft, die von ihm ausgeht. Nur in der Verbindung zu ihm sind wir fähig zu wachsen und gute Früchte hervor bringen zu können.


Ein wichtiges Wort im Bild vom Weinstock ist das Wort „bleiben“. Sieben Mal kommt es vor: Wir sollen „bleiben“, wir sollen in Ihm, Jesus, bleiben. Wir sollen an ihm oder in ihm bleiben, so eng verbunden wie die Rebe und der Weinstock. Wenn nicht, dann ist die Rebe nicht fähig Triebe hervor zu bringen und süße Trauben, damit daraus ein guter Rebensaft entstehen kann und schließlich ein guter Wein. Der Lebensstrom fließt nur, wenn eine enge Verbindung zu Jesus da ist. Was ist dieser Lebensstrom oder woraus nährt er sich? Was sind die Nährstoffe, die der Weinstock aufnimmt? Im Bild des Weinstocks, das Jesus verwendet, sind es für mich Glaube, Hoffnung und Liebe. Es sind diese drei Dinge, die uns nähren. „Ich bin der Weinstock, hr seid die Reben“ dieses Bild will nicht nur eine harmonische Umschreibung sein, dahinter steckt ein klarer Auftrag. Es bedeutet für uns die Glaubenden, dass wir offen sein sollen, durchlässig für den Lebensstrom. Damit Glaube, Hoffnung und Liebe in dieser Welt erfahren werden können. Denn wie viele sind abgeschnitten vom Lebensstrom.Da gibt es Menschen, die haben keine Energie mehr, sie fühlen sich ausgelaugt. Viele verzehren sich selbst, weil sie sich zu viel zumuten. Viele haben Depressionen. Sie sehen nur, dass sie Leistung bringen müssen, einenErtrag, Erfolg und Gewinn. Sie stehen unter dem Druck: „Wer nichts bringt, ist nichts.“


Da ist also der Druck durch die anderen und da ist oft auch der eigene Maßstab, der zu hoch angelegt ist und uns überfordert, das geht soweit bis zur völligen Erschöpfung. Wie viele fühlen sich wertlos, ausgebrannt und verdorrt. Da kommt nun Jesus mit seinem Bild vom Weinstock. Mit dem Bild des Lebensstromes der darin fließt. Ja Jesus strahlt mit seinem Leben, Reden und Handeln aus.Selbst das Sterben und sein Tod werden durch die Auferstehung zu einem Lebensstrom. Und er hilft uns, dass wir uns als Reben an diesem Weinstock entfalten können mit unseren Fähigkeiten, Gaben und Stärken. Und ein wichtiger Aspekt steckt noch im Bild vom Weinstock, in diesem Bild der Beziehung. Es ist nicht nur die Beziehung zu Jesus hin, sondern auch eine Beziehung untereinander. In Jesus bleiben bedeutet auch zusammenbleiben. Vielleicht merken wir gerade durch die Krise mit Corona, wie wertvoll Gemeinschaft ist.
Da hilft uns keine virtuelle Community im Netz. Menschen persönlich in die Augen schauen, im Gottesdienst sitzen und kräftige Singstimmen hören und im kräftigen Beten vereint zu sein.
In Gremien und Arbeitskreisen miteinander Dinge planen und angehen und umsetzen, Austausch erfahren mit Gleichgesinnten. Ich vermisse es!


Bleiben wir also am Weinstock Jesus, der uns Lebenskraft gibt und uns zusammenführt. Bleiben wir durchlässig für den Lebensstrom: Glaube, Hoffnung und Liebe. Dann werden wir merken, wir müssen nicht alleine die Welt retten.Es hängt nicht alles von uns ab. Wir müssen nur durchlässig bleiben und es werden sich Früchte einstellen und eine gute Qualität. Und wir werden merken, da wächst ein guter Wein heran, wir werden uns zurücklehnen können und genießen können. Es wartet Leben in Fülle.

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