Der Prediger ging eingangs auf die Bezeichnung "Held" ein und meinte, daß ein Held für viele ein Kämpfer, ein Übermensch ist, der nur bei dramatischen Ereignissen eingreift. Es waren Menschen, die sich an fast unlösbare Aufgaben heran wagten. Es gibt aber auch noch den Helden in einer Titelrolle, den Hauptdarsteller. "Der Titelheld". Der Diakon brachte beeindruckende Ausschnitte aus einem Buch in seine Fastenpredigt mit ein, indem der Sohn das langsame Fortschreiten der Demenz bei seinem Vater August Geiger dokumentierte - eine Reise ins Vergessen, wie Diakon Rudi Reuter sagte, Hinzu kommen aber die weiteren Alltagshelden: Familie, Freunde und auch Nachbarn.
Vor der eigentlichen Fastenpredigt las der Diakon den Psalm 139. In diesem Psalm werde das Gottvertrauen herausgearbeitet. Dann erinnerte der Prediger an Film wie "Reise in die Dunkelheit" oder auch "Vergiss mein nicht". Demenz wurde erst in den letzten Jahren ein wichtiges Thema. Früher habe man Menschen, die vergesslich wurden als "verkalkt" bezeichnet. In den 1990er Jahren hat man dann die Krankheit erforscht, vor allem als bekannte Persönlichkeiten wie Bundestrainer Helmut Schön, der Politiker Herbert Wehner oder auch der ehemalige amerikanische Präsident Ronald Reagan. Mit ihnen sei das Thema Alzheimer zum Schlagwort geworden. In Deutschland gibt es derzeit 1,3 bis 1,5 Millionen Demenzkranke, bis 2030 werden sich diese Zahlen wohl verdoppeln, sagen Experten.
Dann befasste sich Diakon Reuter konkret mit "seinem Alltagshelden" August Geiger. Der österreichische Schriftsteller Arno Geiger hat ein berührendes Buch über seinen an Demenz erkrankten Vater geschrieben. Das stand immer wieder im Mittelpunkt der Fastenpredigt "Reise ins Vergessen". "Er hatte sie dem Vater schlicht nicht zugetraut, die Krankheit. Schon immer sei der Vater etwas eigen gewesen, schreibt Arno Geiger. "Einer, der nicht mehr Welt gebraucht hatte in den beinahe acht Jahrzehnten seines Lebens als Wolfurt, jenen Winkel im Vorarlbergischen, in dem er geboren wurde, aufgewachsen war, in dem er beinahe immer gelebt hatte." Der Leser erfährt, daß die Anfangstage der Krankheit eine schwierige Zeit war. Es sei die Zeit des großen Verlustes gewesen, als Dinge verschwanden und viel Ungutes aufkam.
Verhaltenveränderungen verweisen auf die Krankheit. So zieht sich der Kranke morgens zur halb oder verkehrt herum an, die Socken findet man im Kühlschrank und sein Brot schmiert er mit Hautcreme. Für Diakon Reuter hat der Schriftsteller einen wichtigen Satz geprägt als er schriebe: Wenn mein Vater nicht in meine Welt kommen kann, muß ich über die Brücke zu ihm in seine Welt kommen! Er sei im Zweiten Weltkrieg gewesen und sicher froh, als er wieder zu Hause war. So ist es vielleicht zu erklären, daß er immer heim wollte und sein Sohn im sagte: "Du bist zu Hause, man kann nicht nach Hause gehen, wenn man schon daheim ist." Der Sohn und viele weitere Familienmitglieder, Freunde und Nachbarn sind für Reuter "die anderen Helden des Alltags." Sie wußten, daß August Geiger in seiner Welt gefangen war und man zu ihm in seine Welt gehen mußte. So sagte er einmal beim Kaffeetrinken, als er die Tasse neben die Untertasse stellte: Sind die beiden verwandt? Die Antwort seines Sohnes: Ja, sie gehören zusammen. Die Antwort des Vaters: Deshalb sehen sie so gleich aus.
Wichtig sei die Geborgenheit, die man solch einem Demenzkranken geben müsse. Oft helfe das Singen altbekannter Lieder aus der Kinder- und Jugendzeit, aber auch Bilder, die die Erinnerung wieder wecken. Der Sohn habe erkennen müssen, daß diese Krankheit nicht zu besiegen ist. Auch die Wertschätzung müsse einem Demenzkranken entgegen gebracht werden. Dabei bezog sich der Prediger auf den Psalm, wo es heißt: Du umschließt mich von allen Seiten und legst deine Hand auf mich. So könne man das Handeln der Betreuer von Demenzkranken bezeichnen. Es gehe um das Wissen um den anderen, um Gottvertrauen in der Finsternis der Demenz. "Wo wir die Orientierung verlieren, läßt Gott sein Licht leuchten," fügte der Prediger an. Schließlich nannte er noch den Apostel Pauls der einmal geschrieben hatte: Wenn unser irdisches Zelt abgebrochen wird, dann haben wir eine Wohnung von Gott, ein nicht von Menschenhand errichtetes ewiges Haus im Himmel. Der Demenzkranke sei, so der Diakon abschließend "wie ein Gotteskind geborgen in den Händen seines Schöpfers, denn sein Name ist eingeschrieben in das Buch des Lebens." Text: Hanns Friedrich