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Kreuz und Kugel krönen seit Samstag wieder die Turmspitze der Heilig Kreuz Kirche in Herbstadt. Mit einem kleinen Festakt wurde die neu vergoldete Kugel und das Über drei Meter hohe Kreuz nach oben gebracht. In der Kugel sind, wie schon seit Jahrhunderten, in Schatullen wichtige Dokumente hinterlegt. Alte und neue, wie Kirchenpfleger Klaus Schmitt betonte. Pfarrer Karl Feser, der die Segnung vornahm verwies darauf, daß nun wieder "das Kreuz unseres Herrn Jesus Christus" über Herbstadt steht. Erfreuliche werteten es Klaus Schmitt und Bürgermeister Georg Rath, dass viele Herbstädter zur kleinen Feier in den Kirchhof gekommen waren, um doch einen historischen Moment mit zu erleben. "Schließlich kommt eine Turmkugel höchsten alle 30 bis 40 Jahre zur Erde," sagte Schmitt "und von uns wird der Großteil dies wohl in Herbstadt nicht mehr erleben," fügte Bürgermeister Georg Rath an

Gemeinderäte konnte Schmitt ebenso begrüßen wie Mitglieder der Kirchenverwaltung und des Pfarrgemeinderates. Dazu Pfarrer Karl Feser und Diakon Rudi Reuter, ebenso Kreiskulturreferent Hanns Friedrich. Nicht dabei sein konnte Architekt Volker Eppler (Wülfershausen). Bürgermeister Georg Rath sprach die gute Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der Pfarrei an. Dank sagte er an Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert für die Aufarbeitung der Dokumente in der Kugel. Er sei immer bereit, wenn es darum geht etwas zu entziffern und zu verstehen. Das habe sich auch beim Turmkugelinhalt gezeigt. "Die Zeitreisekugel hat ihren Stopp bei uns auf der Erde beendet und kehrt nun wieder zurück auf den angestammten Platz an der Kirchturmspitze," sagte das Herbstädter Ortsoberhaupt. "Keiner weiß, wann der nächste Halt ist, ob das in 40 oder 50 Jahren sein wird und wie dann die Welt aussieht."

Man könne natürlich auch nicht wissen, wer dann an der Kirche steht und die Dokumente entnimmt oder neue hinzu fügt und wen die Kugel an die Vergangenheit von Herbstadt erinnert. Georg Rath griff die Zeit heraus, in der die Kugel am Turm war und meinte, daß "wir alle sehr viel Glück hatten. Keiner musste Hunger leiden und es gab keine Epidemien und vor allem keinen Krieg." Wichtig sei es aber die Freizeit und das Leben sinnvoll zu gestalten. "Wir sollten weniger jammern, sondern mehr Zufriedenheit zeigen und auch weniger neidisch auf die sein, die mehr Glück hatten als wir."  Für den Bürgermeister ist es dagegen wichtiger an die zu denken, die einmal den Turm geplant und gebaut haben und wie schwierig das alles, im Gegensatz zu heute war.

Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert gab dann einen Einblick in die wichtigsten Daten der verschiedensten Unterlagen aus der Turmkugel. (Bericht an anderer Stelle). Kirchenpfleger Klaus Schmitt ließ noch einmal die Sanierungsgeschichte Revue passieren. Er erinnerte an die erste Besprechung am 9. November 2010, an die Kostenrechnung, die Zusage der Diözese einen Zuschuss zu gewähren  und die Ausschreiben zu Beginn dieses Jahres. Erfreulich: Durch Eigenleistung konnten rund 6.000 Euro eingespart werden. Kurz streifte Schmitt die Innensanierung, wo die Kirchendecke gedämmt und verbrettert wurde. Er sprach den dreiwöchigen Baustopp an. Grund dafür waren die jungen Falken im Turm. Die Turmuhr wurde abgebaut und bekam ein kräftiges Blau, von dem sich die goldenen Zeiger gut abheben.

Eine gesamte Neuverschieferung des Turmes wurde notwendig, ebenso galt es den Glockenstuhl grundlegend zu sanieren (wir berichteten). Eisenhaltungen wurde gegen Eichenbalken ausgetauscht und die Glocken bekamen neue Klöppel. Ebenso wurde die gesamt Elektrik erneuert. Ordentliche Arbeit sei von den Handwerkern geleistet worden. Dabei galt auch ein Dank an Architekt Volker Eppler, der immer den Kostenrahmen im Blick hatte. Bis Ende November will man die Restarbeiten erledigt haben. Zur Turmkugel sagte Schmitt, daß Kirchen- und politische Gemeinde neue Dokumente hinein gegeben haben, die die Zeit von 1978 (der letzten Turmkugelöffnung) bis heute belegt. Zahlreiche Fotos aller Vereine kamen hinzu, natürlich auch die Tageszeitungen der Mainpost -Königshöfer Zeitung- und aktuelles Geld. Dank galt der Musikkapelle Herbstadt für die musikalische Umrahmung der Feierstunde, aber auch den Helfern, die für die Verköstigung sorgten.

"Ein Haus voll Glorie schauet" spielte die Musikkapelle zur Segnung der Turmkugel und gleichzeitig läuteten -zwar ungewollt, aber doch passend- die Glocken der Herbstädter Kirche. "Sie läuten den Sonntag ein," erklärte Bürgermeister Georg Rath. Pfarrer Feser nannte die Turmspitze mit Kugel und Kreuz einen besonderen Ort, dem man auch deshalb ganz besondere Dokumente anvertraut. Dokumente, die über das Geschehen im Ort und die vielen Generationen berichten. Letztendlich sei nun das Kreuz, als Zeichen des christlichen Glaubens wieder am höchsten Punkt des Dorfes und Kreuz und Kugel strahlen nun weithin ins Land. Mutig zeigte sich der Pfarrer, als er im Anschluss an die kirchliche Segnung der Turmkugel das Gerüst nach oben stieg und dort das große Turmkreuz segnete und mit Weihwasser besprengte. Dann hatten die Arbeiter das Sagen. Millimeter genau mußte alles sitzen und so war es nicht einfach die Kugel zu platzieren und dann das große Kreuz auf dem Schaft fest zu schrauben. Nun aber hat der Turm von Herbstadt wieder sein angestammtes Bild: Kreuz und Kugel leuchten weit hinein ins fränkische und thüringische Grabfeld.  Text: Hanns Friedrich

 

Eine Milliarde Reichsmark in die Turmkugel gelegt

Interessantes und Wissenswertes hat Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert bei der Sichtung der Dokumente der Kirchturmkugel von Herbstadt entdeckt. An die 50 Seiten verschiedener Schriftstücke waren es, ebenso Geld, darunter ein Geldschein  "Eine Milliarde Reichsmark". Das älteste Schriftstück datiert aus dem Jahr 1719, sagte Albert den Herbstädtern. Damals wurde der spitz zulaufende Echterturm durch eine welsche Haube ersetzt (wir berichteten).

Damals gehörte Ottelmannshausen zu Herbstadt und wurde erst 1804 selbständige Gemeinde. Niedergelegt ist, daß zu dieser Zeit 30 Familien in Ottelmannshausen und 100 in Herbstadt wohnen, von denen sich 64 von der Landwirtschaft ernährten. Der Anbau von Wein war in jener Zeit in Herbstadt gang und gäbe, denn in dem Schriftstück heißt es: Anno 1718 ist guter Wein gewachsen, ist ein dürrer Sommer gewesen. 1770/71 herrschte eine große Hungersnot, 1773 gab es sehr viele Mäuse, was die Menschen der damaligen Zeit als Strafe Gottes ansahen. Ein Notjahr kündigte sich 1779 an. Reinhold Albert: "In dem Schreiben heißt es: Anno 1779 ist das Korn schier alles erfroren, haben viele Leute kaum den Samen wieder bekommen, ist kaum der dritte Teil davon kommen, sondern nur, was auf der Höhe gelegen, ist nicht erfroren, viele Äcker ganz erfroren. Haben die Leute gedacht bis Martini oder Weihnachten haben sie kein Brot mehr, ist alles aufgessen und ist kein Korn feil gewesen."

1892 wurde erneut eine neue Helmstange auf den Kirchturm von Herbstadt, das damals 490 Seelen zählte, gesetzt. In der Kugel wurden, wie auch diesmal vorgefunden: Urkunde von 1719; 1780 und 1833; Sechs versiegelte Religionsbriefchen; Ein Bild des hl. Anastasius vom Karmeliter Orden; Ein Zettel mit lateinischen Benediktionen und Orationen; Je eine Münze aus den Jahren 1699, 1715 und 1701; Drei Münzen aus der Zeit des Bayernkönigs Ludwig I., und zwar aus den Jahren 1825, 1830 und 1832; Eine blaue Glasperle und zwei Kreuze und ein Medaillon. Zu lesen ist dort: Lebt wohl, all ihr lieben Nachkommen. Und der liebe Gott möge mit Euch sein und bleiben und seid unserer eingedenk beim Gebete und beim heiligen Meßopfer.

1946 wurde das Kreuz auf dem Kirchturm repariert und die Kirchturmkugel wieder eingesetzt. Sage und schreibe 54 Einschüsse wurden in der Kirchturmkugel gezählt, die, so die Chronisten, ausschließlich von der Dorfjugend und ihrer unsinnigen Schießerei stammten. Pfarrer Franz Wabler überlieferte, dass die Gemeinde Herbstadt seit der letzten Öffnung der Kirchturmkugel 1892 bis zu Beginn des 1. Weltkriegs 1914noch glückliche Zeiten erlebte. Der Geistliche schildert dass im Jahre 1923 durch die Wühlarbeit Adolf Hitlers und seiner NSDAP das friedliche Leben zu Beginn der zwanziger Jahre wieder zerstört wurde. Im Zweiten Weltkrieg sei das Dorf durch Gottes Schutz und durch die Vernunft der Gemeindeangehörigen vor feindlichen Schäden bewahrt worden. Der Geistliche vermerkt weiter, daß im Weltkrieg 1914-18 keine einzige Glocke beschlagnahmt wurde. "Unsere alten Glocken aus 1500, 1625 und 1627 blieben uns erhalten. Der Krieg 1939-1945 nahm uns die 2. Glocke – die sog Männerglocke.“

Der damalige Bürgermeister Alois Schubert schrieb: Ich glaube, dass durch die Einsicht beherzter Männer, die unter dem Beschuss des Feindes die weißen Fahnen auf dem Turm hissten, unser Dorf verschont blieb. Es waren dies die Landwirte Josef Ditterich, Andreas Zwick und er selbst. Gemeindediener Josef Behr setzte dazu: Der Weiße Sonntag, der schöne Festtag war ein Kummertag. Doch der liebe Herrgott hat die Gebete seiner lieben Erstkommunikanten, die eben aus der Kirche kamen, angenommen und uns alle vor den Kriegsstunden verschont. In einem weiteren 1946 beigelegten Schriftstück wird der Straßenbau von Herbstadt nach Breitensee Mitte der dreißiger Jahre geschildert und mit Fotos dokumentiert. Letztmals wurde 1978 der Turmknopf abgenommen. Pfarrer Longin Möhler legte ein vier Seiten umfassendes handgeschriebenes Schriftstück bei. Der Herbstädter Gemeinderat mit seinem Bürgermeister und Landtagsabgeordneten Hermann Dürbeck unterzeichnete ein von Gemeinderat Robert Lurz verfasstes, neun Seiten umfassendes Schreiben, in dem insbesondere auf zahlreiche Brände in den Jahren nach 1946 eingegangen wird. Besonders in Erinnerung blieb ein Großbrand im Januar 1966, bei dem das Löschwasser bei 22 Grad minus in den Schläuchen einfror.

Abschließend schreibt Robert Lurz: Nun lebt wohl Ihr lieben Herbstädter Nachkommen! Haltet Frieden in Eurer Dorfgemeinschaft und vor allem auch mit dem Bürgern aus den Ortsteilen Breitensee und Ottelmannshausen, die seit 1978 zu unserer Gemeinde gehören. Vergeßt auch jene nicht, die heute im anderen Teil Deutschlands (DDR) wohnen, vielleicht seid Ihr, wenn diese Kirchturmkugel irgendwann im 21 Jahrhundert wieder abgenommen wird, wieder miteinander vereint. Kreisheimatpfleger Reinhold Albert: "Wer hätte 1978 gedacht, dass der Eiserne Vorhang bereits elf Jahre später als Folge der Friedlichen Revolution in der DDR fällt?" Interessante Einblicke in die Schriftstücke der Herbstädter Turmkugel, die Reinhold Albert zusammengefasst hatte.  Text: Hanns Friedrich

 

 

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