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Mit dem Palmsonntag hat in den Kirchengemeinden die Karwoche, die Erinnerung an das Leiden und den Kreuzestod Jesu, begonnen. In der Pfarreiengemeinschaft Grabfeldbrücke standen, wie in Breitesee, die Segnung der Palmwedel mit anschließender Prozession zur Kirche an. Das erinnert an den Einzug Jesu in Jerusalem. Erstmals wird dann auch die Leidensgeschichte gelesen.

Bereits am vergangenen Sonntag wurden in vielen katholischen Kirchengemeinden die Kreuz verhüllt. Schon seit Aschermittwoch sind sogenannte Flügelaltäre "zugeschlagen", Fastentücher, wie in Eyershausen" verdecken das Hochaltarbild. In Schönau an der Brend werden sogar alle Altäre mit großen Tüchern verhüllt. Darauf sind wiederum Szenen aus der Leidensgeschichte zu sehen.

Bräuche werden dann gerade in dieser Woche auch heute noch besonders lebendig. Dazu gehört in Ostheim/Rhön der Osterstorch. Dort kommt nämlich nicht der Osterhase, sondern der Osterstorch. Für die Kinder liegen denn auch keine Osterhasen aus Schokolade im Nest, sondern bunt gefärbte Eier und dazu ein Osterstorch. In Sondheim/Rhön wurden in der Nacht zum Gründonnerstag einst sogenannte Mistnester von der Jugend gebaut. Und zwar bekamen diese anrüchigen Nester diejenigen, die konfirmiert aber noch nicht verheiratet waren. Das Fußwaschen ist ebenfalls kirchlicher Brauch, als Erinnerung an die Fußwaschung Jesu an seine Jünger. Gab es früher die "Heiligen Gräber" so sind diese heute kaum noch erhalten. Erst vor wenigen Jahren wurden ein Heiliges Grab in der Kirche von Eyershausen wieder restauriert und dort auch aufgebaut. Das geschah auch in diesem Jahr wieder.

Zum Brauchtum an den Kartagen gehören aber ganz sicherlich die Ratschenbuben und -mädchen, die von Gründonnerstagabend bis Karsamstagabend unterwegs sind. Jungen und Mädchen, die die Glocken ersetzen. Die sind nach altem Volksglauben von Gründonnerstag bis Karsamstag "nach Rom geflogen." Mit dem Gloria verstummen in den christlichen Kirchen am Gründonnerstag Orgel und Glocken und sind erst in der Osternacht wieder zu hören. Es ist dies eine Erinnerung an das Leiden und den Tod Christi. Dann sind die Ratscher gefragt, die mit ihren Holzinstrumenten durch die Ortschaften ziehen und oft jahrhunderte alte Verse singen. Im Grabfeld und in der Rhön sind die Jungen und Mädchen recht aktiv. Schon Wochen vorher werden die Holzkästen vom Dachboden geholt, gesäubert und hergerichtet. Solch eine Holzklapper oder -Ratsche besteht aus einem etwa 50 mal 30 Zentimeter großen Resonanzkasten aus Holz. Darauf befinden sich zwischen sechs und zehn Holzhämmer, die wiederum durch eine Walze in Bewegung gesetzt werden und ein dumpfes Geräusch ergeben.

Das Ratschen an den Kartagen erfolgt in Gruppen zwischen zehn und 20 Jungen und Mädchen, die im Dreier- oder Fünfertakt die Walze drehen und so die Hämmer verschiedentlich aufeinander schlagen lassen. Dazu singen sie, je nach Ortschaft, verschiedene Liedtexte, die ebenfalls oft über Jahrzehnte überliefert sind. Aus den 1930er Jahren stammen die Texte der Ratschenbuben von Bad Königshofen, die der verstorbene Kreisheimatpfleger Otto Schulz überarbeitet hatte. Geschrieben wurden sie von einem Kaplan Memmel der Stadtpfarrei Königshofen im Grabfeld. Da hört man am Karfreitag in den Abendstunden: "Ihr Christen, nun ruht der Herr im Grab, heut, morgen bis zum dritten Tag. Kyrie Eleison". Am Karsamstag ist am Abend der letzte Einsatz der Ratscher. Dann singen sie: "Es beginnt die heil'ge Osternacht, das Licht durchdringt die Grabesnacht. Maria nicht mehr klagt und weint, Christus der Herr, ihr bald erscheint. Ave Maria".

Dass die Ratschenbuben, wie sie im Grabfeld heißen, für ihre Arbeit auch etwas erhalten, ist ganz klar. Am Karsamstag dürfen sie, ohne natürlich ihren wichtigen Dienst zu vernachlässigen, von Haus zu Haus gehen und um eine kleine Gabe bitten. Sie sagen dann folgenden Spruch: "Wir haben geklappert fürs heilige Grab und bitten um eine Ostergab". Interessantes wird aus dem thüringischen Wolfmannshausen berichtet. Das Dorf war einst eine katholische Enklave, die dem Bistum Würzburg, auch zu DDR-Zeiten angehörte. Dort wurde unter dem damaligen, heute verstorbenen Seelsorger, Pfarrer Alfred Rind, das Ratschen in den Kartagen gepflegt.  Als besondere Belohnung verteilte der Ortspfarrer eine Tube West-Zahncreme. Heute sicher nicht mehr vorstellbar. Gustav Blum aus Bad Königshofen weiß noch aus seiner Jugendzeit, daß man früh um 6 Uhr, Mittags um 12 Uhr und abends um 18 Uhr "gerumpelt" hat. Die Texte waren immer gleich: Wir klappern den englischen Gruß, den jeder Christ beten muß. Fallet nieder auf die Knie, betet Vater unser und Ave Marie! Ave Maria."

Autor: Hanns Friedrich

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