Pfarrerin Beate Hofmann Landgraf hatte am Reformationsabend eine übervolle St. Jakobus Kirche vor sich, so dass weder im Kirchenschiff noch auf den beiden Emporen kaum noch Platz zu finden war. Ein Gruß galt den politischen Vertretern, aber auch den katholischen Gläubigen und den Menoniten. Mit Pfarrerin Beate Hofmann-Landgraf feierten die Pfarrer Tina und Lutz Mertten (Bad Königshofen, Gerhild Ehrmann (Bad Neustadt), Werner Küfner (Bad Königshofen), Anitra Sturdza (Irmelshausen), Diakonin Conny Dennerlein (Waltershausen), Prädikantin Tanja Buchholz (Bad Königshofen) und der katholische Pfarrer Karl Feser (Bad Königshofen) den Gottesdienst. Dabei war ebenfalls Pastoralassistent Johannes Krebs (Bad Königshofen). In ihren Einführungsworten Beate Hofmann-Landgraf an das Jahr 1517, als Luther seine Thesen an die Türe der Schlosskirche von Wittenberg schlug. "Damit hat er den Anstoß gegeben, wenn auch unbeabsichtigt, dass wir heute als evangelisch-lutherische Kirche daran erinnern."
In seinem Grußwort sagte der katholische Pfarrer Karl Feser, dass es Menschen, wie Martin Luther braucht, die aufbegehren, die protestieren und die sich für eine Sache einsetzen, die ihnen ein Herzensanliegen sind. Leider würden es die Menschen heute noch nicht lernen aufeinander zuzugehen, weil verschiedene Stanpunkte, Meinungsverschiedenheiten nicht akzeptiert werden. Ganz anders in der Ökumene, "wo wir weit gekommen sind, wo nicht mehr das Trennende, sondern das Gemeinsame, das Verbindende herausgestellt wird." Der Pfarrer verwies auf das Zweite Vatikanische Konzil, das das Verhältnis der Kirchen neu definierte und dabei das Wort Gottes, die Bibel, wieder in den Mittelpunkt gerückt hat. Erfreut zeigte sich der Geistliche darüber, dass die ökumenische Zusammenarbeit im Grabfeld so gut ist und er fügte an: "Ich hoffe, dass uns der ökumenische Weg noch näher zusammen führt, denn ich denke, dass im 21. Jahrhundert die Menschen nicht mehr fragen, ob jemand katholisch oder evangelisch ist, sondern sie werden sagen: Bist du Christ." Das sei letztendlich auch der Wunsch Jesu Christi, der für die Einheit seiner Jünger gebetet hat.
n der Kirche von Irmelshausen war natürlich auch "Martin Luther" als Pappkamerad, wie ihn Pfarrerin Tina Mertten bezeichnete, dabei. So war das anschließende Interview mit Wolfgang Hunger aus Hassfurt, das Pfarrerin Tina Mertten führte, schon etwas Besonderes, denn er ist in der 15. Generation von Jakob Luther, dem jüngeren Bruder von Martin Luther. Der Neffe seiner Großmutter Elsa-Magdalena Luther, Bodo Luther hatte sich nach der Wiedervereinigung mit der Familienchronik befasst und den Stammbaum bis 1634 erforscht. Dann allerdings brachen die Berichte ab, weil, bedingt durch den 30-Jährigen Krieg die Unterlagen vernichtet wurden. Bodo Luther lebte in der ehemaligen DDR und konnte erst nach 1989 seine Forschungen weiter führen. Hier half ihm vor allem das hessische Archiv. Mittlerweile gibt es davon 16 Seiten. Wie fühlt man sich als Verwandter von Martin Luther, wollte Tina Mertten wissen und ob da gewisse Werte hochgehalten werden, man sich in einer Pflicht fühlt? Die Antwort von Wolfgang Hunger war kurz und knapp: "Nein!" In die Kirche sei man in der Familie nur zu den besonderen Festen wie Ostern, Weihnachten oder Erntedankfest gegangen. Konfirmiert wurde er nach dem Heidelberger Katechismus, der lang und intensiv sei. "Jedes Wort habe man als Konfirmand kennen sollen."
Würde er Martin Luther heute etwas ins Stammbuch schreiben: "Ich bin ihm dankbar, dass er die Bibel übersetzt hat und vor allem, dass er standhaft geblieben ist." Schön sei es, das heute Evangelische und Katholische mit einander den Weg gehen und auch Pfarrer und höheren Würdenträger bei einem Glas Wein zusammen sitzen. Eindrucksvoll dann die Predigt von Pfarrer Lutz Mertten aus Bad Königshofen, der wieder einmal seine bekannte Schauspielkunst mit einbrachte und in die Rolle Luthers schlüpfte. Von einer Nacht- und Nebelaktion sprach er, als die 95 Thesen an die Türe der Schloßkirche von Wittenberg genagelt wurden. Er habe damit die Menschen zum Nachdenken über ihren Glauben bringen wollen.. "Ich wollte ihnen sagen, was es heißt, Christus ganz und gar zu vertrauen.." So habe er quasi mit den Kreuzesnägeln dies Thesen angebracht. Alle, die sich zum Gottesdienst treffen, würden wegen der Liebe Christi zu den Menschen da sein, denn deshalb hab er sich ans Kreuz nageln lassen.
Ob man die Thesen noch einmal aufhängen sollte? Zum Beispiel an der Kirchentüre von Irmelshausen? Pfarrer Lutz Mertten: "Nach gut, hier stehe ich, ich kann nicht anders!" Nägel allerdings wollte er nicht einschlagen, sondern ließ bewusst die Thesen Luthers von Kirchenbesuchern halten mit dem Hinweis: "Wenn ihr meine Thesen nicht haltet, taugen sie nichts und wenn die Botschaft von der Liebe Gottes nicht durch die Hände der Menschen hoch gehaltne wird, gehen sie unter". Wichtig sei es gerade heute sich gegen Unrecht zu wenden und sich für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt einzusetzen. Jeder müsse wissen, dass Christus die Menschen geliebt hat und sich dafür kreuzigen ließ. Um dies zu erkennen brauche man den Reformator Martin Luther nicht, "aber ihr könnt Martin Luther sein."
Luthers Lieder führten in Schweinfurt zur Reformation
Der Gottesdienst zum 500. Gedenken der Reformation war in der Kirche St. Jakobus in Irmelshausen vor allem durch Geschichten aus Luthers Zeiten und von Luther geprägt. So schlüpfte Diakonin Conny Dennerlein in die Rolle von Katharina, der Frau Luthers und berichtet, dass sie aus einer Bierbrauerfamilie stammt und Ihr Mann Martinus, ihr Bier sehr schätzte, aber auch wusste, dass man davon nicht zuviel trinken sollte. Bier mache die Menschen toll und töricht, habe er immer gesagt. Von Luther stammt auch die Aussage: "Wer kein Bier hat, hat nichts zu trinken und Ein Schluck Wasser oder Bier vertreibt den Durst, ein Stück Brot den Hunger und Christus vertreibt den Tod."
Wissen müsse man aber auch, dass zur Zeit Luthers das Bier nicht den Alkoholgehalt hatte, wie heute. Wichtig sei Martin Luther gewesen, dass die Sünde nicht das letzte Wort hat. Am Abgrund, der sich im Leben manchesmal auftut, dürfe man nicht umkehren, sondern mutig hinunter schauen, weil dort Christus zu finden ist. Mit ihm könne man seine Aufgaben im Leben bewältigen. Luther würde heute die Menschen auffordern sich nicht noch weiter zu optimieren und nicht immer zu denken, alles richtig machen zu müssen.. Jeder Mensch sei wertvoll und von Gott geachtet. "Ihr seid einfach kostbar, einzigartig, unersetzlich."
Die Laute Luthers ließ dann Pfarrerin Beate Hofmann-Landgraf zu Wort kommen. Luther sei auf der Laute perfekt gewesen, habe viele Lieder komponiert und gesungen. Der Nürnberger Meistersinger Hans Sachs habe ihn sogar als "die Wittenberger Nachtigall" bezeichnet. Früher habe man die Lieder auswendig gesungen, Texte gab es nicht, lesen und schreiben konnten nur wenige Menschen. 30 Texte und 20 Melodien schrieb Luther. Der Reformator habe gesagt: Nach der Theologie gibt es keine Kunst, die mit der Musik verglichen werden kann." Musik öffne den Raum in die Welt Gottes hinein und deshalb habe Musik eine wichtige Rolle im Gottesdienst. Schon lange vor Luther gab es geistliche Lieder. Die waren allerdings aus dem Gottesdienst verbannt worden. Die Messe wurde auf Latein gefeiert; und das Kirchenvolk, das in der Regel kein Latein konnte, war eher unbeteiligter Zuschauer. Luther wollte die Gemeinde mündig machen, indem er ihr wichtige Teile des Gottesdienstes mit Liedern in den Mund legte. Lieder wurden zu Zeiten Luthers vor allem auch durch Spielleute verbreitet. Pfarrerin Beate Hofmann-Landgraf: "so etwas wie heute Twitter, Facebook und whats-app.
"Luthers Laute" wusste den Gläubigen in der Irmelshäuser Kirche aber auch zu berichten, dass die Schweinfurter Jugend das Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ auf den Straßen Schweinfurts gesungen haben und bald darauf habe man in der Stadt Schweinfurt die Reformation eingeführt. So prägten sich die Lieder und mit ihnen die Lehre mit Hilfe der Musik tief in die Herzen der Menschen ein. Den Ansprachen und Episoden aus der Zeit Luthers folgte die Feier des Heiligen Abendmahls, bei dem die Christen aller Konfessionen eingeladen waren. Dem Dank- und Fürbittgebet der Vertreter und Vertreterinnen der fünf Pfarreien folgte das Schlusslied "Allein aus Gnade", gespielt von der Projektband. Mit gestaltet wurde der Festgottesdienst "500 Jahre Reformation" von den Posaunenchören Sulzdorf und Irmelshausen-Höchheim sowie dem Gemischten Chor aus Irmelshausen. Gottesdienstbesucher bekamen am Ausgang Lutherbonbons und dann war am Kirchplatz bei offenen Feuerstellen Zeit zum Plaudern bei Essen und Trinken.
Autor: Hanns Friedrich