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Es waren nicht nur die Lieder, sondern vor allem auch deren Texte, die der evangelische Pfarrer Lutz Mertten in jüdischer Sprache vortrug, die dann ins Deutsche übersetzt wurden. Sie zeigten das ganze Leid, das jüdische Familien in der Zeit des Nationalsozialismus durchmachen mussten.

Texte, die „unter die Haut gingen“ und bei denen so manch einer Tränen wegwischen musste. Zum Beispiel beim Lied von einer Mutter, die ihr hungriges Kind in den Schlaf singt oder dem Titel „Es brennt, Brüder, es brennt!“ Die beiden Liedsätze hatte übrigens Heinz Pallor (Mellrichstadt)  vor zwei Jahren für das Ensemble geschrieben, sagte Gabriele Seelmann, die die Moderation zu den Musikstücken übernommen hatte. Ihm sei es gelungen, die Stimmung und die Texte der Melodien eindrucksvoll und mit viel Gefühl heraus zu arbeiten.

Im Lied vom „goldenen Land“ habe sich Mordechai Gebirtig daran erinnert, das ihm seine Mutter dieses Lied in seiner Kindheit gesungen hat. Darin geht es um einen Musiker, der gebeten wird, seine Fidel zur Hand zu nehmen und das Lied vom goldenen Land zu spielen. Für Gebirtig wurden damit Erinnerungen an die von ihm erlebte mütterliche Liebe und die Geborgenheit wach, die seine Mutter ihm geschenkt hat. Es ist ein wehmütiges aber kein trauriges Lied, sagte Gabriele Seelmann den Gästen in der Stadtpfarrkirche. Ganz anders dagegen der Titel „Hungerik dajn Ketzele“, das den Hunger im Ghetto thematisiert. Gabriele Seelmann wusste,  dass es Heinz Pallor sehr mitgenommen hatte, diesen Liedsatz zu schreiben.

Darin wird erzählt, wie eine Mutter ihr halb verhungertes Töchterchen in den Schlaf wiegt, das aber nicht schlafen will. Sie erzählt ihm vom ebenfalls hungrigen Kätzchen, der Puppe und von sich selbst, dass auch sie darunter leiden. Im Wechselspiel von Gesang und Flöte drückt sich die Verzweiflung der Mutter aus. Gabriele Seelmann: „Mit dem Lied wollte sie nicht nur ihr kleines Mädchen trösten, sondern singt auch, um sich selbst Mut zu machen, die Hoffnung nicht auf zu geben.“ Die Musik von  Mordechai Gebirtig nannte sie ein Mahnmal vom Leid des jüdischen Volkes aber auch ein Denkmal des jüdischen Volkes auf die Barmherzigkeit Gottes. Heute sei es Erinnerung und Warnung, niemals zu vergessen. Wie die Texte, gelesen in hebräischer Sprache von Lutz Mertten, auf die Besucher wirkten, zeigte die Stille im Kirchenraum.

Zu den Liedern von Mordechai Gebirtig erfuhren die Besucher, dass dieser 1877 in Krakau geboren wurde, ein einfacher Tischler war und die Literatur liebte. Seine ersten Lieder entstanden zwischen Hobelspänen und Werkbank. Am liebsten schrieb er Wiegen- und Liebeslieder. Die Lieder des Tischlers aus Krakau wurden weithin bekannt und gesungen. Auch wenn man die Worte, eine Mischung aus deutschen, slawischen, hebräischen und rumänischen Elementen,  nicht verstand, begriff man doch die Botschaft voll Gefühl und Tiefe, sagte Pfarrer Lutz Mertten. Bis auf den heutigen Tag habe sich die einzigartige Kraft  der  jiddischen Volkslieder erhalten. „So mögen die Lieder  von Mordechai Gebirtigs uns davor bewahren, zu vergessen, uns lehren zu verstehen, uns helfen, niemals zu vergessen.“

Gemeindereferent Sebastian Krines las im Gottesdienst unter anderem aus dem Psalm 25 in dem von der Angst die Rede ist, die groß ist aber man auf Gott vertrauen sollte. In den Fürbitten gedachte man der sechs Millionen Toten „und aller die starben, als Wahnsinn die Welt regierte und das Böse in der Welt wohnte.“ Die Welt sei ärmer geworden“, sagte der Gemeindereferent und gedachte in Stille der ermordeten Juden. Mit dem Vater unser und dem Segen, sowie dem Lied „Hevenu shalom“ endete eine beeindruckende Stunde der Erinnerung des Leidens, das der Nationalsozialismus über das jüdische Volk brachte. Erinnerung sei wichtig denn nur wer die Vergangenheit kennt, könne die Zukunft gestalten, sagte Pfarrer Lutz Mertten. Er dankte den Mitwirkenden des Ensembles Spilerey: Monika Oser und Monika Zimmer (Gesang), Peter Göbel, Jana Möbius (Geige), Helga Möbius (Geige/Bratsche), Sonja Möbius (Cello), Rainer Seelmann (Kontrabass), Hubert Schiller (Gitarre) und Gabriele Seelmann (Blockflöte).

Autor: Hanns Friedrich

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