Ewige Anbetung auch zu Corona-Zeiten
Seit einigen Jahren ist die "Ewige Anbetung" in der Stadtpfarrkirche vom Zweiten Weihnachtstag auf den 2. Sonntag im neuen Jahr verlegt. Auch in diesem Jahr wurden die Anbetungsstunden wieder vom katholischen Frauenbund und der Kolpingsfamilie gestaltet. Nach dem Gottesdienst trug Pfarrer Karl Feser die Monstranz vom Tabernakel auf den mit Kerzen besonders gestalteten Volksaltar zur Anbetung.
Predigt 2. Sonntag – Les 1: Les 2: Ev: Joh 1, 35-42 nach einer Idee von: P. Pius Kirchgessner, OFMCap
Die jüdische Schriftstellerin Nelly Sachs (eigentlich Leonie Sachs), die den Holocaust überlebt hat (1891 – 1970), schreibt in ihrem Gedicht „Sehnsucht“ Folgendes:
„Alles beginnt mit der Sehnsucht.Immer ist im Herzen Raum für mehr, für Schöneres, Größeres.Das ist des Menschen Größe und Not:Sehnsucht nach Stille, nach Freundschaft und Liebe.
Und wo Sehnsucht sich erfüllt,dort bricht sie noch stärker auf." „So lass nun unsere Sehnsucht damit anfangen, dich zu suchen, und lass sie damit enden, dich gefunden zu haben."
„Was sucht ihr?“ - Das sind die allerersten Worte, die Jesus im Johannes-Evangelium spricht und er redet damit zwei junge Männer an, die zunächst Schüler von Johannes dem Täufer waren, der am Ufer des Jordans taufte.Jesus geht vorüber. Johannes der Täufer richtet seinen Blick auf Jesus und sagt: „Seht das Lamm Gottes!“
Wie reagieren die beiden Schüler? Sie sagen kein Wort. Aber es passiert etwas Entscheidendes: Die beiden Johannesschüler lösen sich von ihrem bisherigen
Meister und gehen hinter Jesus her. Und das ist der Moment, wo Jesus sich umwendet - sie blicken auf Jesus und er blickt auf sie. Und nun sagt Jesus: „Was sucht ihr?“ - „Was ersehnt ihr für euch?“ Ist damit gemeint. Das ist offenbar die erste Frage, die an den gerichtet wird, der zu Jesus kommt, eine Frage, über die man sich klar werden muss.
Nach dem Gedicht von Nelly Sachs beginnt alles mit der Sehnsucht. Jeder hat Wünsche, Erwartungen, Hoffnungen. Jesus nimmt alle Erwartungen und Sehnsüchte ernst. Aber er führt den,der zu ihm kommt, von den vorläufigen und vordergründigen Wünschen tiefer. Jesus konfrontiert mit der Frage: „Worauf richtet sich deine tiefste Sehnsucht? Worum geht es dir
letztlich?“ „Was sucht ihr?“ Auf was seid ihr aus? Was ersehnt ihr euch? Verdutzt, vielleicht auch verlegen, fällt den beiden keine Antwort ein. Stattdessen stellen sie eine Gegenfrage: „Meister, wo wohnst du?“ Wenn die beiden fragen: „Meister, wo wohnst du?“ dann geht es ihnen gar nicht um die Adresse oder die äußeren Lebensumstände, sondern sie wollen Jesus persönlich kennenlernen. Die beiden wollen von Ihm wissen: Wie lebst du? Woher bist du? Wer bist du? Vielleicht auch: Wo bist du zu Hause? Wo bist du beheimatet? Worauf baust du? Worauf vertraust du? Die Antwort Jesu überrascht. Er hält ihnen keinen Vortrag. Er gibt ihnen auch keinen Flyer in die Hand oder ein Buch, wie wir es heute vielleicht tun, wenn jemand zu uns kommt. Da drücken wir dem anderen etwas in die Hand: „Da, nimm! Lies das mal! Dann weißt du Bescheid.“ Jesus sagt ganz einfach: „Kommt und seht!“ Schaut selber! Kommt in meine Nähe! Lebt mit mir! Dann werdet ihr nicht nur hören, sondern erleben, wo ich wohne, wo ich verwurzelt bin, woraus ich lebe, woher ich bin, wer ich bin.
Keine Erklärungen, keine Theorien, keine Dogmen, keine Moral. Nichts dergleichen. Stattdessen die höchst persönliche Einladung: „Kommt und seht!“ Niemand soll blind glauben, sondern es geht darum, selber Erfahrungen zu machen, sich selbst zu überzeugen, seinen Glauben selbst zu finden, sich selbst zu finden. Zu einer Zeit als die Christen noch eine Minderheit im römischen Reich waren, wurde der heilige Bischof Ambrosius (339 - 397) einmal gefragt, wie er es machen würde, einen Heiden zu bekehren. Da hat er geantwortet:
„Ich würde ihn eine Zeitlang in mein Haus aufnehmen und bei mir wohnen lassen.“ „Kommt und seht!“ Im persönlichen Beisammensein, gleichsam „bei Jesus zu Hause“ können auch
die beiden Jünger ihn am besten kennenlernen und erfahren, wer er wirklich ist.„Kommt und seht, wo ich wohne!“ – Mit dieser Einladung sollen die Jünger erfahren, wo Jesus im
tiefsten beheimatet ist, wo er letztlich seinen Ursprung und seine Wurzeln hat. „Da kamen sie mit und sahen, wo er wohnte.“ Die beiden Jünger nehmen die Einladung an.
Sie gehen mit. Es wird nun nichts darüber gesagt, was sie erlebt oder was sie mit Jesus gesprochen haben. Was werden sie kennen gelernt haben? Seine Einstellung, seine Gesinnung, sein Wesen. Sie erkennen, wo Jesus zu tiefst gegründet ist: in Gott, den er seinen Vater nennt. Später wird Jesus sagen: „Wer mich sieht, sieht auch den Vater. Ich und der Vater sind eins.“
Und eben dort, im Vater, werden auch die Jünger Heimat finden können und Heimat finden dürfen, wenn sie Jesus begegnen, auf ihn schauen, auf ihn hören, mit ihm gehen, bei ihm bleiben und immer mehr in IHM bleiben.Sie lernen zu leben wie er. Und sie gewinnen dabei gegenseitige Nähe und Freundschaft. Im Sein bei Ihm, im Bleiben bei ihm ging den beiden auf und sie nahmen mit innerer Freude wahr: Jünger Jesu sein, das heißt: In Einheit und Gemeinschaft mit dem Herrn zu leben, bemüht zu sein, immer mehr ein Herz und eine Seele mit ihm zu werden und danach zu streben, die Einstellung und Gottesbeziehung Jesu, sein Tun und Handeln sich ganz zu eigen zu machen. Am Ende des Evangeliumtextes hören wir noch eine aussagekräftige Bemerkung: „Sie blieben jenen Tag bei ihm.“ Sie waren fasziniert von seiner Ausstrahlung, kein Wunder also, dass sie bleiben. Sie fühlen sich angenommen, ernst genommen und bejaht. Sie haben gefunden, was sie suchen, einen der ihnen Weg, Wahrheit und Leben ist. Und aus dem einen Tag werden 2-3 Jahre, wo sie mit Jesus umherziehen als Wanderprediger, ja sie bleiben letztlich ein ganzes Leben mit Jesus verbunden über den Tod und die Auferstehung hinaus und treten für seine Sache ein.
Was die beiden Jünger erleben ist ein Höhepunkt in ihrem Leben! –IHM begegnen, mit IHM sein, bei IHM sein, seine Nähe erfahren, seine unmittelbare Gegenwart, das war es. Mit IHM leben und immer mehr wie ER. Das füllte und erfüllte das Herz der beiden. Wovon das Herz voll ist, davon läuft bekanntlich der Mund über. Aus der Begegnung entspringt Zeugnis, Zeugnis für Jesus. Schon beginnt das Fruchtbringen. „Wir haben den Messias gefunden“, sagt Andreas zu seinem Bruder Simon. Wer gefunden hat, kann andere zum Suchen bringen. „Und er führte ihn zu Jesus.“ – Der berufene Andreas wird sogleich selbst zum Rufenden und zum Wegbegleiter Jesu. Die Berufung wird Kreise ziehen. Philippus und Nathanael werden die beiden Nächsten sein, die zu Jesus dazu stoßen und ebenso das Wagnis der Nachfolge auf sich nehmen werden. Wir sind getauft und stehen in der Nachfolge Jesu. Wie ist es bei uns mit unserer Sehnsucht? Suchen wir die Nähe Jesu und lassen wir uns von ihm einladen? Versuchen wir ihn immer mehr zu verstehen? Seine Person, sein Wesen, sein Gegründet-sein in
Gott? Und versuchen wir das nachzuleben, was er vorgelebt hat? Die Sehnsucht sucht das Schönere und das Größere. Für uns Glaubende ist das letztendlich Gott. Und wir sollen nicht nachlassen, bis wir IHN gefunden haben und letztlich von IHM erfüllt sind. Und dann sollen auch wir voller Begeisterung für Gott, für Jesus und seine Sache und voller Glaubensfreude hinaus gehen und anderen davon künden: Wir haben den Messias gefunden.
Zum Glauben finden, da helfen keine Apelle, auch Druck bringt nichts. Theorien gibt es auch genug. Das lebendige Zeugnis ist gefragt. Und da ist die Sehnsucht, die Menschen in Bewegung bringt und sie dazu bringt sich auf Neues einzulassen. Alles beginnt mit der Sehnsucht... Dazu am Schluss eine Geschichte: Ein junger Jude sagte zum Rabbi: „Ich möchte zu dir kommen und dein Schüler werden.“ Da antwortete der Rabbi: „Gut, das kannst du, ich habe aber eine Bedingung.Du musst mir eine Frage beantworten: Liebst du Gott?“ Da wurde der Schüler traurig und nachdenklich. Dann sagte er: „Eigentlich lieben, das kann ich nicht behaupten.“ Der Rabbi sagte freundlich: „Gut, wenn du Gott nicht liebst, hast du dann etwa
Sehnsucht ihn zu lieben?“ Der Schüler überlegte eine Weile und erklärte dann: „Manchmal spüre ich diese Sehnsucht sehr deutlich, aber meistens habe ich soviel zu tun, dass die Sehnsucht im Alltag untergeht.“ Da zögerte der Rabbi und sagte dann: „Wenn du die Sehnsucht, Gott zu lieben, nicht so deutlich verspürst, sehnst du dich dann vielleicht danach, diese Sehnsucht zu haben, Gott zu lieben?“ Da hellte sich das Gesicht des Schülers auf und er sagte: „Genau das habe ich. Ich sehne mich danach, diese Sehnsucht zu haben, Gott zu lieben.“
Der Rabbi entgegnete: „Das genügt. Du bist auf dem Weg.“ (Autor/in unbekannt)