Zur Sanierung des Glockenstuhls sagte Architekt Volker Eppler, daß der späteste Termin für eine Fertigstellung der Feiertag Allerheiligen ist. "Bis dahin müssen Glocken, Läuteeinrichtung und Steuerung wieder alles funktionieren." Noch besser wäre es natürlich früher. Dass am Glockenstuhl im Herbstädter Kirchturm einiges renoviert werden muß, zeigte sich dann vor Ort. Mit dabei waren Heinz Musiol von der Firma Bayerische Turmuhren, sowie Zimmermann Andreas Mätzold von der Firma Donath, die sich auf die Restauration historischer Bauten spezialisiert hat. Die vier Glocken sind seit einigen Wochen bereits still gelegt und abgehängt (wir berichteten). Sie stehen am Boden, so daß bei man bei der Begehung das gesamte Gebälk genau unter die Lupe nehmen konnte. Bürgermeister Georg Rath verwies darauf, daß Herbstadt noch eine Stahlglocke besitzt, alles andere sind historische Bronzeglocken, die nicht für Kriegszwecke abgegeben werden mußten.
Die Balkenkonstruktion und die Verbindungen sowie Auflagen wurde vor Ort von der Glockensachverständigen Katja Engert genau begutachtet. "Es ist ein wunderbarer Glockenstuhl" war ihre spontane Feststellung, allerdings gebe es dabei einiges instand zu setzen. So müssen lockere Verbindungen, die nicht mehr intakt sind "ertüchtigt" werden und einige Balken gilt es auf die Tragfähigkeit zu überprüfen. Durch neues Holz sollte nur das was wirklich notwendig ist, ergänzt werden. In diesem Zusammenhang verwies der zuständige Zimmerermeister Heinz Musiol auf Holznägel und die Stabilität. Solche Holznägel wurden früher oft verwendet, erklärt Architekt Volker Eppler. Dazu habe man entsprechende Löcher vorgebohrt und die Nägel dann eingefügt. "Es gibt einiges zu tun und die Zeit drängt," fügte er an. Das alles soll in den kommenden Wochen nun geschehen, damit die vier Herbstädter Glocken bald wieder zu den Gebetszeiten und Gottesdiensten rufen können.
Auf die Frage, wie alt der Glockenstuhl wohl ist, verwies Bürgermeister Georg Rath auf einen Balken. Dort ist zu lesen: Georgius Reichert Schultheis - Johannes Ambrosius Schlembach - Johannes Geissler - Bauherr 1719. Man weiß damit sicher, daß der Glockenstuhl von Herbstadt aus dieser Zeit stammt und heute immer noch intakt ist. Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold schreibt in seiner Chronik über Herbstadt, daß der Turmunterbau wohl aus dem 14. Jahrhundert stammt. Reinhold Albert: "Es erscheint möglich, daß 1613 ein Neu- oder Umbau der Kirche erfolgte, denn 1614 ist von einem neuen Kirchturm die Rede. Kosten: 331 Gulden. Im Jahr 1719, auch das ist in den Unterlagen vermerkt, erhielt der Herbstädter Kirchturm seine heutige Haube.
In den Unterlagen der Kirchturmkugel findet man dazu folgende Niederschrift: "Haben wir diese welsche Haube um unser Gemeindemittel allein gebaut. Zimmermann Balzer Kanzler von Heustreu 60 Gulden zu Lohn gehabt, 3 Malter Korn, 2 Eimer Bier dazu geben. Das Holz haben wird bei dem Herrn Brücksen zu Obereßfeld kauft und zu Hellingen. Die Schiefersteine aus Lehesten sind 2000 Zentner gewesen, der Zentner zu sechs Batzen, Den 1. Mai ist der Turm vom Zimmermann aufgerichtet worden und am 26. Juni ist das Kreuz und der Knopf aufgesetzt worden im Beisein der Obrigkeit." Damit steht außer Frage, daß diese Holzinschrift im Kirchturm von Herbstadt vor genau 295 Jahren in den Balken eingeritzt wurde und das gesamte Gebälk bis heute überdauert hat. Zur Sanierung sagt Architekt Eppler, daß die Glockenstube allein auf über 20.000 Euro angesetzt ist, der gesamte Turm wird sich bei einer viertel Million Euro einpendeln. Grund für die erhöhten Kosten ist unter anderem die Neuverschieferung. Für Eppler ist es wichtig, daß noch in diesem Jahr das Gerüst fällt und die Arbeiten beendet werden können.
Auch wenn die Glocken, die ja abgenommen sind, durch die vergangenen Jahrzehnte stark verschmutzt sind, erkennt man doch noch die Inschriften und die Reliefs. Aus dem Jahr 1625 stammt die älteste Glocke. Sie zeigt eine Kreuzigungsgruppe und als Umschrift kann man lesen: "A fulgure et tempestate libera nos domine (Von Blitz und Unwetter befreie uns, Herr! Im Jahre des Herrn 1625). Zwei Jahre später wurde eine weitere Glocke angeschafft. Auf ihr steht: "Parochus Georgius Schonlein, Georgius Helmerich, Dorfsmeister Anno 1627 Sub tuum praesidium configimus sancta Dei genitritx (Pfarrer Georg Schonlein, Georg Helmerich, Dorfsmeister 1627 Unter deinen Schutz fliehen wir heilige Gottesgebärerin. Bartholomäus Kremer von Caspar Delson gegossen. Auch hier ist als Relief eine Kreuzigungsszene zu erkennen. Eine dritte Glocke zeigt als Relief den Apostel Petrus und als Umschrift: Ave Maria gratia plena (Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnaden) - Anno Domini 1900". Die Eisenglocke hat lediglich die Schrift "Tutorem paternum rogo" (Deinen väterlichen Schutz erbitte ich.) und wurde 1948 gegossen.
Text: Hanns Friedrich