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Domkapitulr Clemens Bieber zelebrierte am Christkönigssonntag den Gottesdienst in der Stadtpfarrkiche. Mit ihm stand Altpfarrer Linus Eizenhöfer am Altar. Beide Geistliche kommen aus Johannesberg. Der Domkapitular übernahm die Messfeier für Pfarrer Karl Feser. Dieser war als Notfallseelsorger bei einem Einsatz, wobei sich danach herausstellte, dass der Patient Covid 19 positiv getestet war. Aus diesem Grund ging Pfarrer Karl Feser bis Montag in Quarantäne, zeigt bislang aber keine Symptome, die auf Covid 19 hinweisen würden. Das sagte der ehemalige Diakon Rudi Reuter vor dem Gottesdienst am Sonntag.

Autor: Hanns Friedrich

Predigt von Domkapitular Clemens Bieber zum Christkönigsfest in Bad Königshofen
„Querdenker“ – inzwischen in aller Munde! „Querdenker“ – eine sich neu formierende Bewegung von Menschen aus z.T. gegensätzlicher ideologischer Herkunft, aber mit dem gemeinsamen Anliegen, die aktuellen Bemühungen des Staates in Sachen Corona zu torpedieren. Die Verantwortlichen des Staates versuchen – mehr oder weniger geschickt, die Pandemie bestmöglich zu meistern. Dahinter steht auf jeden Fall das aufrichtige Bemühen, die sich ausbreitende Anzahl von Infektionen einzudämmen und damit die Menschen zu schützen. „Querdenker“ – dabei geht es längst nicht mehr um einen vielleicht sogar gut begründeten, sachlichen Widerspruch oder einen kontroversen fachlichen Disput. Die Form des Protestes schlägt immer mehr um in Aggression und Gewalttätigkeit. In einer der großen deutschen Tageszeitungen war am Freitag ein Foto abgedruckt, das eine Frau zeigt, die ein altes Holzkreuz mit einem geschnitzten Korpus hochhielt. Sie war umgeben von vielen emotional aufgeladenen Menschen. So standen die Protestierer vor dem Brandenburger Tor in Berlin der Polizei gegenüber. Dieses Bild sieht man aber nicht nur in Berlin oder München, inzwischen formieren sich in vielen weiteren sogar kleinen Städten – auch bei uns in Unterfranken – die sogenannten „Querdenker“. Einige schafften es sogar mit Hilfe einer der im Bundestag vertretenen Parteien, die sich damit nun den Vorwurf einer „Schleuserbande“ gefallen lassen muss, in das Reichstagsgebäude zu kommen, wo sie einzelne Abgeordnete bedrängten und beleidigten.


Bedenklich ist auf jeden Fall die erkennbare Mischung der Demonstranten in der neuartigen Querdenker-Bewegung: Die verwendeten Symbole und Plakate deuten neben den Impfgegnern und besorgten Eltern hin auf Verschwörungsgläubige und Reichsbürger, sowie weitere extremistische Gruppierungen und sogar Kämpfer für unterschiedliche sexuelle Orientierungen. Sie alle verbindet offenbar der aus ihrer Sicht gemeinsame Feind, nämlich der Staat, der angeblich die Bürgerinnen und Bürger entmündigt, bevormundet und ihrer persönlichen Freiheit beraubt. Immer wieder werden am Rande solcher Demonstrationen einzelne Protestierer nach ihren Beweggründen befragt, worauf entweder sehr naive Begründungen formuliert oder gehässige Parolen über Verantwortliche im Staat geäußert werden. Zunehmend mehr Menschen lassen keine andere Meinung gelten. Viele halten sich und ihre Ansicht für absolut und richtig – und zwar quer durch alle gesellschaftlichen Schichten. Prominentestes Beispiel ist aktuell der nicht mehr wiedergewählte amerikanische Präsident. Aber er ist halt ein Kind unserer Zeit.


Auch wir in der Kirche sind Kinder unserer Zeit. Auch in der Kirche stehen unterschiedliche Überzeugungen und Vorstellungen von Sendung und Auftrag der Kirche teilweise scheinbar unüberbrückbar gegenüber. Längst geht es nicht mehr „nur“ um Fragen wie Zölibat, Weihe von Frauen. Es geht um Amt, Autorität und Macht. Und es geht um Fragen der Ehe ebenso wie Fragen von Ethik und Moral im Blick auf die Bewertung des Lebens.
In diesem Fall wären „Querdenker“ wichtig, Menschen also, die von der Botschaft Jesu her und in SEINEM Geist Anstöße geben, wie wir als Kirche heute glaubwürdig die Frohe Botschaft bezeugen. Jesus hat die gängigen Konventionen und die Lebenspraxis zwar auch hinterfragt, aber nicht dagegen Protest erhoben. Vielmehr hat er durch seinen Umgang mit den Menschen eindeutige Zeichen gesetzt, wie Leben und Zusammenleben gelingen können, wie wir unsere Verantwortung füreinander wahrnehmen können. Aus dem heute verkündeten Evangelium wird der Maßstab Jesu klar. Der Freiburger Religionssoziologe Professor Michael Ebertz sagte im Blick auf die Rede Jesu: „Am Ende steht ein Caritas-Gericht!“ Die Glaubwürdigkeit unseres Redens und Betens wird in unserem Dienst am Nächsten deutlich. Die zum Teil vorwurfsvollen Auseinandersetzungen über die Struktur und den Auftrag der Kirche führen in der Gesellschaft zu größerer Distanz der Menschen. Und solange der Eindruck besteht, dass es im Grunde doch nur um Macht bzw. den Erhalt der bestehenden Strukturen geht, und die Leidenschaft für den Dienst an Gott und den Menschen eher einem arbeitsvertraglichen Verhältnis entspricht, wird niemand neugierig werden auf die Frohe Botschaft.

In all den Turbulenzen unserer Tage wird aber auch die Suche der Menschen nach Orientierung und Halt spürbar, die Suche nach einer Führung, die das Wohl der ihnen Anvertrauten deutlich an die erste Stelle setzt. Wo aber sind die Menschen in unserer Gesellschaft, die mit ihrer Haltung, ihrem Einsatz, mit ihren Visionen und Äußerungen Mut machen, zusammenführen und Wege in eine lebenswerte Zukunft aufzeigen? Jesus nennt im heutigen Evangelium entscheidende Kriterien: • Die Sorge um das tägliche Brot: Da geht es nicht nur um Essen, es geht auch um Arbeit für die Menschen, damit sie ihr tägliches Brot auch durch die eigenen Hände verdienen können und weniger durch die Rendite von Aktienpaketen. Jesus spricht den Lebensdurst der Menschen an. Damit meint er nicht nur den Durst des Körpers, sondern auch das Gespür, angenommen und geborgen zu sein. Wie viele unter uns sind fremd, weil sie auf der Suche nach menschenwürdigeren Lebensmöglichkeiten ihre Heimat verlassen haben oder verlassen mussten. Und wie viele sind unter uns – ohne Migrationshintergrund – fremd, weil alle guten und vertrauten Gewohnheiten verloren gegangen sind und sie sich nicht mehr auskennen. „Ein Obdach der Seele“ schreibt Paul M. Zulehner. Der Mensch braucht nicht das ständig wechselnde Programm, die Animation, den Zeitvertreib. Der ständige Wechsel macht ihn auf Dauer krank. Ein Mensch braucht vertraute Gewohnheiten, ein inneres Zuhause, in dem er verwurzelt ist, wo er Kraft schöpft. Der Mensch braucht Glauben und Vertrauen. Wie viele Menschen werden entblößt, ob hinter vorgehaltener Hand oder – wenn sie nur prominent genug sind – am öffentlichen Prangern der Medienwelt. Und selbst wenn sie Fehler gemacht haben, dann tut es unendlich gut, wenn ihnen jemand den Mantel der Barmherzigkeit umhängt und sie schützt, um ihnen wieder eine Zukunft zu ermöglichen.  Die große Zahl von kranken, gebrechlichen, alten oder behinderten Menschen wird selten erwähnt. Krankheit und Leid werden in unserer perfekt erscheinenden Welt wie ein Betriebsunfall angesehen. Im Grunde sind wir alle krank, keiner ist perfekt, jeder hat irgendeine Schwachstelle. Manche aber müssen eine größere Beeinträchtigung mit sich tragen. Wie wichtig wäre es, wenn sie spüren dürften, dass andere helfen, die Last zu tragen. Aber in den Köpfen unserer Gesellschaft hat sich ein Bild vom Menschen eingeprägt, das in seiner Perfektion nicht lebenswert ist. Bei dem Hinweis Jesu geht es um die Solidarität, bei der sich niemand den Tod zu wünschen braucht, weil er sich als Last oder überflüssig vorkommt. • Schließlich existieren Menschen, die in sich gefangen sind, deren größter Fehler es ist, dass sie nur sich sehen und nur an sich denken. Wer befreit sie zu der wundervollen Erfahrung, dass das Miteinander bereichert und frei macht und ein Zugewinn an Leben bedeutet?


Jesus selbst kam mit seiner Haltung nicht wenigen quer, und in seiner Nachfolge wurde über die Jahrhunderte hinweg deutlich: Wer nach SEINEM Vorbild gelebt und gehandelt hat, wurde nicht selten als Störfaktor angesehen – außerhalb und teilweise in der Kirche. Aber diese Haltung, die die Apostel in die Welt getragen haben, hat unseren Kontinent geprägt, und daraus ist eine soziale Kultur erwachsen, die die kleinen und großen Nöte im Blick hatte und Wege gefunden hat, um zu helfen. Nun scheinen wir wie vor einen Scherbenhaufen zu stehen. Wir stellen fest, dass wir seit Jahrzehnten über unsere Verhältnisse gelebt haben, dass eine Forderungsmentalität gewachsen und zugleich die Bereitschaft zurückgegangen ist, sich für andere zu einzusetzen und Wohlstand miteinander zu teilen. Die Selbstbedienungsmentalität ist auf allen Ebenen immer maßloser geworden. Das führt dann auch zu den zunehmend gewalttätigeren Protesten, um die eigene Haltung durchzusetzen, anstatt zu überlegen, wie wir angesichts der aktuellen Bedrohungen Verantwortung füreinander wahrnehmen können. Das alles hat im Grunde auch mit dem Verlust an Glauben, und von daher mit dem veränderten Welt- und Menschenbild, mit unserer Lebenskultur zu tun, wo wir uns nicht mehr als Schwestern und Brüder verstehen, die füreinander Verantwortung tragen und deshalb auch solidarisch leben. Wo Menschen sich gegenseitig nicht mehr als Bereicherung und Hilfe, sondern als Bedrohung empfinden, die die eigenen Entfaltungsmöglichkeiten und Ansprüche einschränkt, werden schließlich Kinder und kranke oder alte Menschen, Fremde, arme und andere Menschen, die unserer Unterstützung bedürfen, als Last empfunden. Es braucht also endlich eine intensive, ehrliche und offene Auseinandersetzung mit unserer Gesellschaftssituation, es braucht im konstruktiven Sinne „Querdenker“, die die gängige Lebenssicht hinterfragen und das Miteinander in Blick nehmen. Das heutige Evangelium richtet sich in erster Linie aber nicht an die Gesellschaft, sondern an jeden Einzelnen. Jesus macht deutlich, dass es nicht um Theorien und Parteitagsbeschlüsse geht, sondern um ganz konkrete Maßnahmen und Taten von Einzelnen. Deswegen müssen die Menschen in unserer Gesellschaft, wir alle uns ändern. Dazu können uns die selbsternannten „Querdenker“, selbst wenn sie ein Kreuz in der Hand halten, nicht inspirieren. Aber Jesus mit seiner Frohen Botschaft kann helfen, und das ganz sicher dann, wenn SEIN Anspruch unserer gängigen Lebenspraxis völlig querkommt. Aber nur so können wir zu wirklichen „Querdenkern“ werden, die Hoffnung bringen und Zuversicht verbreiten und solidarisch leben.

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