So war es für die aufmerksam zuschauenden Kinder kein Wunder, dass die Mutter Martin Luthers, als der kleine Martin nicht pünktlich zum Essen kam, ihm damit drohte, dass der Nachtkrabb kommt und ihn holt. Das wirkte und der kleine Luther kam zum Essen. Was heute kaum noch üblich ist: Vor dem Essen gab es das Tischgebet, das der kleine Martin sprach. Dann kam auch sein Vater dazu, der sehr aufgeregt war und berichtete, dass im Bergwerk ein Stollen eingestürzt ist. Siegbert, einer seiner Kumpel, wurde schwer verletzt. Für seine Familie wolle man beten, denn wenn der Mann ausfällt, gab es damals kein Einkommen. So betete denn auch der kleine Luther zur Heiligen Anna, dass Gott die Familie und alle Menschen behütet.
Schweigend schauten die Kinder zu und auf die Frage von Pfarrerin Tina Mertten, dass sie sicher auch alle keine Engel sind, die sofort kommen, wenn die Eltern rufen, stimmten ihr die Kinder zu. Luther habe seiner Mutter gesagt, dass er Latein gelernt hat und deshalb das Essen vergessen hatte. "Ihr habt sicher auch oftmals entsprechende Ausreden," meinte die Pfarrerin schmunzelnd. Warum die Familie wohl Angst hat, dass der Vater nicht mehr arbeiten kann? Das Problem damals sei gewesen, dass es keine Versicherungen für solche Fälle, so wie heute, gab. Der Mann war für die Familie derjenige, der das notwendige Geld herbei schafft und wenn der ausfiel, dann hatte man große Sorgen. Außerdem sei es eine Zeit gewesen, in der die Menschen sehr viel Angst hatten.
Damals habe man sich auf Gott verlassen, dass er alles richten wird und zu ihm und auch Heiligen gebetet. Dieser Gedanke setzte sich in den weiteren Gesprächkreisen im evangelischen Gemeindehaus fort, wo ein Bild im Mittelpunkt stand, dass einen schreienden Mann zeigte. Hier war es unter anderem Pastoral Assistent Johannes Krebs, der mit den Kindern in der Runde darüber diskutierte. Diese hatten dazu verschiedene Ideen: "Der Mann schreit, weil er Angst hat... er ruft nach Hilfe... er ist auf der Suche nach Verschütteten." Auch Martin Luther habe Angst gehabt, nicht nur vor dem Nachtkrabb, übrigens eine Kinderschreckfigur im Mittelalter. Der Nachtgrabb griff sich angeblich Kinder, die nach Einbruch der Dunkelheit noch auf der Straße waren und fliegt mit ihnen so weit fort, dass sie ihr Zuhause nicht mehr finden, erfuhren die Kinder. Die Angst habe also schon als Kind die Menschen im Mittelalter begleitet.
Die Kinder überlegten aufgrund des Bildes, was der Mann wohl denkt, wie er fühlt. So sei auch die Angst bei Martin Luther gewesen. Er habe sich später als junger Mann entschieden Mönch zu werden und ging ins Kloster. Hier war es wieder die Angst, die ihn beherrschte. Es war die Angst vor Gott, die ihn dazu brachte zum Beichten zu gehen. Vier bis fünfmal am Tag sei dies gewesen. Dann habe er von seinem Beichtvater die Bibel bekommen und darin gelesen. "Da hat er dann erfahren, dass er keine Angst haben braucht," wussten die Kinder und auch "Jesus sagt: Ich bin immer bei Dir." Da habe Martin Luther bemerkt, dass ihm die Bibel Mut macht. Fast selbstverständlich war es deshalb, dass die Kinder, begleitet von Pfarrerin Tina Merten auf der Gitarre, das "Mut mach Lied" gemeinsam sangen.
Danach ging es von der Kirche zurück zum Gemeindehaus, wo erneut kleine Gesprächsrunden stattfanden, um das Thema, das als Theaterstück gespielt wurde, zu vertiefen. Nach dem gemeinsamen Mittagessen wurde gebastelt, so unter anderem Luther Rosen aber auch Gedanken Luthers zu Papier gebracht. Hinzu kamen natürlich Spiele und vieles mehr. Der Abschluss des ökumenischen Kinderbibeltags fand am Nachmittag wieder in der Kirche statt, wo der weitere Lebenslauf des Reformators Martin Luther im Theaterstück vorgestellt wurde. Ein ökumenischer Kinderbibeltag, also diesmal ganz im Zeichen des "Luther-Jahres".
Autor: Hanns Friedrich