In der Stadtpfarrkirche Bad Königshofen hielt Pfarrer Karl Feser die Christmette an Heilig Abend. Begleitet wurde er wieder einmal von einem Kamerateam des Bayerischen Fernsehens, das seit Beginn der Corona-Pandemie in Bad Königshofen beispielhaft aufzeichnet, wie eine Kirchengemeinde mit den Einschränkungen umgeht. Gerhard Göbel hatte stellvertretend den Gemeindegesang übernommen, begleitet von Wilhelm Schmalen am Keyboard. Im Anhang die Predigt von Pfarrer Karl Feser
Sehr geehrte Gottesdienstbesucher,
während das Markus-Evangelium mit dem Öffentlichen Auftreten Jesu beginnt, gibt es im Mattäus-Evangelium und im Lukas-Evangelium Geburtslegenden. Ein wichtiger Baustein im Fundament des christlichen Heilsgeschehens ist dabei die Verkündigung des Engels. Im Mattäus-Evangelium (Mt 1, 18-25) ergeht die Verkündigung an Josef mit dem Auftrag, Maria als seine Frau anzunehmen, denn Josef ist ein Nachfahre Davids und die Verheißungen verweisen auf einen Nachfahren Davids. Im Lukas-Evangelium (Lk 1, 26-38) ergeht die Verkündigung an Maria mit dem Auftrag, dem Kind, das sie gebären wird, den Namen Jesus zu geben. Bei beiden, bei Josef und Maria, wird deutlich, dass sie empfänglich sind für die Botschaft des Engels und damit für die Botschaft Gottes. Josef und Maria stehen dabei exemplarisch für den offenen, empfänglichen Menschen, der von Gottes Wort getroffen wird und auf seine Botschaft hört. Nun wird in der Kunstgeschichte keine Szene so oft dargestellt, wie die Verkündigungsszene des Engels mit Maria. Dabei wird das Motiv der Verkündigung immer mehr zu
einem festen Schema. Der Erzengel Gabriel erscheint in der Regel von links, Maria sitzt oder steht rechts um die Botschaft zu empfangen.
In allen Epochen bemühten sich die Künstler darum das Verkündigungsgeschehen in ihre eigene Zeit zu übertragen. Gestaltungsmittel hierfür sind nicht nur die Kleidung, sondern auch die Architektur. So wird das Motiv in alle nur denkbaren Raume hineingestellt: Vor die Tore der Stadt; in eine Kirche; in einen geschlossenen Garten; in eine Klosterzelle; in einen Palast; in eine Ruine; in eine bürgerliche Schlafkammer. Künstlerinnen und Künstler unserer Zeit gehen neue, unkonventionelle Wege, um das Thema in unsere Gegenwart zu transformieren. Dabei wird die traditionelle Ikonographie durch neue zeitgenössische Verknüpfungen erweitert. Auch Zweifel und kritisches Hinterfragen der Tradition, die wir manchmal gedankenlos übernehmen, werden zum Thema in den Bildern.
Ein Künstler, ein Maler, unserer Zeit ist Michael Triegel, der Bilder malt wie die alten Meister des 15. Jahrhunderts, dessen Motive aber immer wieder verfremdet sind. So hat er im Jahre 2008 ein Bild gemalt mit dem Titel: Verkündigung. Auf dem Bild sieht man in einer Wandnische einen einfach aufgebauten Tisch, der mit zwei Leinentüchern bedeckt ist. Auf dem Tisch liegt eine nackte Frau. Das Bild wirkt zunächst sehr erotisch und mir ist es so ergangen, dass ich erst beim zweiten Mal hinschauen den kleinen Engel links oben in der Ecke gesehen habe. Hinter der Frau hängt ein grüner Vorhang mit Mustern herunter, der einen dunklen Raum im Hintergrund abtrennt. Der Engel links im Bild versucht die Frau anzusprechen und mir scheint, der Engel klatscht sogar in die Hände. Vergeblich! Bei genauerem Hinsehen merkt man, die Frau schaut starr nach oben. Ja die Frau auf dem Tisch scheint tot zu sein. Der Körper, der in seiner Schönheit noch nach Leben aussieht, ist tot. Die Frau liegt da auf dem Tisch, weil die Leichenwäsche ansteht als Vorbereitung für die Bestattung und die Wandnische erweist sich als Eingang zu einer Grabkammer und würde man den Vorhang im Hintergrund abnehmen, dann wäre die Grabkammer zu sehen.
Der Theologe Daniel Rumel hat dieses Bild betitelt: Unempfänglich. Während Josef und Maria empfänglich waren, ist diese Frau, die steif da liegt unempfänglich. Was sagt uns das Bild? Nicht Gott ist tot, sondern das, was dazu auserkoren war empfänglich zu werden für die Wirklichkeit Gottes wird für tot erklärt. Die Frau im Bild steht für den Menschen allgemein. Er ist tot, weil er sich vom Leben abgeschnitten hat, vom Leben, das von Gott kommt. Wenn wir Weihnachten feiern, werden wir hingelenkt zum anderen Pol. Zum Symbol für das Leben und welches Symbol ist hier stärker als ein neugeborenes Kind! Gott erscheint nicht als Erwachsener und als mächtiger Herrscher, er erscheint als kleines, hilfloses, armes Kind, das angewiesen ist auf Menschen, die sich seiner annehmen. Und es tauchen in den Geburtslegenden Menschen auf, die alle empfänglich sind für die Botschaft Gottes, die sich anrühren lassen durch das Kind und die mit einem Auftrag nach Hause gehen. Engel kommen zu den Hirten. Die Hirten sind für die Botschaft aufgeschlossen, empfänglich. Sie folgen dem Auftrag
und machen sich auf den Weg zum Kind in der Krippe, das in Windeln gewickelt ist. Die Hirten lassen sich nicht von der Armut ablenken. Sie sehen im Kind ihren Retter und Heiland. Sie erzählen, was ihnen über dieses Kind von den Engeln gesagt worden war. Die Hirten, Leute aus dem unteren sozialen Milieu werden zu Verkündigern, einfache Hirten werden zu Propheten. Da braucht es keine spezielle Ausbildung um Prophet zu werden. Es reicht, das Wort Gottes wirken zu lassen, empfänglich zu sein. Wenn Gottes Wort kommt, dann ist derjenige, den es erreicht ein Prophet und er wird dieses Wort Gottes nicht für sich behalten, sondern es weitersagen. So kommen die Hirten zur Krippe und berichten, und alle die um die Krippe herum stehen, staunen und sie werden zutiefst bewegt und berührt.
Im Mattäus-Evangelium kommen Weise aus dem Morgenland zum Kind.Heidnische Astrologen aus dem Orient, Sterndeuter, kommen zum Kind. Sie erkennen im Kind einen neugeborenen König und sie huldigen ihm. Sie sind empfänglich für die Botschaft, die Gott ihnen in diesem Kind mitteilt. Und an den Sterndeutern wird deutlich: Gottes Botschaft geht nicht mehr nur an das Volk Israel. Auch die Heiden sind von Gott berufen. Ja, Gottes Botschaft geht in die ganze Welt hinaus. Und damit enden auch die Evangelien: Jesus sendet in die Welt hinaus. Und so betrifft das, was vom Kind gesagt wird, nicht nur Israel. Es ist weltbewegend und betrifft alle Menschen guten Willens. Die gesamte Welt soll Gott erkennen. Weil die Begegnung mit Gott im Kind befreit, bewegt und Leben schenkt und erhält. Der Empfängliche lebt, wer unempfänglich ist, der stirbt, der ist tot.So sind wir wieder beim Bild vom Anfang. Der Mensch liegt tot auf seinem Tisch, er kann sich beerdigen lassen, wenn er nicht empfänglich ist und wenn er die Beziehung zu Gott nicht sucht, die Leben bedeutet. Und ist es nicht schön, sich berühren zu lassen von einem neugeborenen Kind und sein Herz aufzumachen und mit einem mal zu spüren, Gott kommt in mein Herz und schenkt mir Leben. Ein Leben, das auch der Tod mir nicht nehmen kann, denn ich bin auf ewig von Gott geliebt.
Hannah Arendt (1906-1975), die von sich sagte, sie sei Agnostikerin (Es ist ihr also egal ob es Gott gibt oder nicht), schreibt an zentraler Stelle in ihrem Hauptwerk Vita activa: Dass man in der Welt Vertrauen haben und dass man für die Welt hoffen darf, ist vielleicht nirgends knapper und schöner ausgedrückt als in den Worten, mit denen die Weihnachtsoratorien die frohe Botschaft verkünden: „Uns ist ein Kind geboren“. Lassen wir uns also anrühren von diesem göttlichen Kind, damit wir das Leben haben und es in Fülle haben. Aber behalten wir die Botschaft Gottes nicht für uns. Werden wir heute Propheten, tragen wir die Botschaft Gottes in die Welt hinein, denn diese Botschaft soll allen Menschen guten Willens zu teil werden.
Amen.