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In der Stadtpfarrkirche gestaltete Pfarrer Karl Feser eine eindrucksvolle Liturgie zum Leiden und Sterben Jesu.

Dies wurde vor allem auch durch die Predigt verstärkt:

"Nur ein Gott kann uns retten."
Schwestern und Brüder im Glauben, dieser Satz steht nicht in der Bibel, sondern ist der Gedanke eines bedeutenden Philosophen des letzten Jahrhunderts. Ein Leben lang, Jahrzehnt um Jahrzehnt, hatte Martin Heidegger (1889-1976) über die Welt und den Menschen nachgedacht, hat geschrieben, gelehrt, philosophiert. Und dann diese erschütternde Erkenntnis:
Unser Nachdenken, unsere Versuche, mit der Welt und mit uns zurechtzukommen, sie scheitern: "Nur ein Gott kann uns retten."
Der Philosph Heidegger kritisierte die sogenannte metaphysische Weltauffassung, die nach Heidegger von der modernen Technik beeinflusst ist. Er versuchte aufzuzeigen, dass mit der
Technik auch eine veränderte Auffassung der Welt einhergehe. So wird nach Heidegger durch die Technik die Erde vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der Nutzbarmachung in den Blick gebracht. Wegen ihrer globalen Verbreitung und der damit verbundenen schonungslosen „Vernutzung“ natürlicher Ressourcen, sah Heidegger in der Technik eine unabweisbare Gefahr. Und wenn wir uns die letzten 50 Jahre anschauen, dann erlebte unsere Welt rasante Entwicklungen.

Durch Radio, Fernsehen und Internet erfahren wir in Sekundenschnelle, was irgendwo auf unserer Welt passiert. Geldströme fließen in Bruchteilen eines Augenblicks um den Globus. Mit dem Flugzeug sind Länder, von denen man früher nur träumte, in wenigen Stunden erreichbar. Nun möchte ich Technik nicht von vorneherein schlecht machen. Aber die neuen Möglichkeiten die wir haben, diese Fülle an Informationen lassen etwas zutage treten, das früher weniger bewusst war: Alles in unserer Welt ist miteinander vernetzt, im Guten wie im Bösen.Technische Erneuerungen aus aller Welt erleichtern unser Leben, die Nähe zwischen den Kulturen erlaubt es, neue Lebensstile kennenzulernen und zu übernehmen. Aber die globale Vernetzung zeigt auch, wie es um die Welt und viele Menschen steht. Das billige Steak auf unserem Tisch "verdanken" wir großflächigen Rodungen von Regenwald, unsere Essgewohnheiten und unser Lebensstil beeinflussen unser Klima negativ, Spekulationen an internationalen Börsen vernichten Arbeitsplätze, noch aus dem fernsten Winkel der Erde werden uns allabendlich Katastrophen und Kriege präsentiert.

In diese unheilvollen Strukturen sind wir, Sie und ich, eingebunden. Wir tragen durch unser Verhalten dazu bei, dass unsere Natur Schaden nimmt und dass Menschen Schaden nehmen,
irgendwo auf der Welt in Armut leben müssen. Der einzelne Mensch kann da nur begrenzt etwas verändern. Wir sind Mitspieler in einem Spiel, dessen Regeln schwer zu durchschauen sind. Manche sehen, was sich da alles an Schlechtem auftut. Manche sehen es, würden gerne heraustreten, aber sie fühlen ihre Hände gebunden. Wenn wir auf die Austrittszahlen in der Katholischen Kirche schauen, dann finden Menschen hier einen Weg herauszutreten. Man kann der Institution die Kirchensteuer verweigern. Beim Staat geht das nicht, wenn wieder einmal deutsche Waffen in Krisengebiete geliefert werden, wenn ein neues U-Boot vom Stapel läuft und nach Saudi Arabien verkauft wird. Wenn im Schwarzbericht wieder einmal nachzulesen ist wie viel Steuergelder sinnlos verschwendet werden. Wenn die Ministerien keinen strukturieren Plan auf die Reihe bekommen und die Impfstrategie nur langsam voran geht und viele Geschäfte und Lokale weiterhin geschlossen bleiben müssen.


Wir sind mit verstrickt. Wir können uns nicht aus allem lösen. Die Bibel benutzt für diese unguten, bösen Verstrickungen in Welt, Gesellschaft und im persönlichen Bereich das Wort Schuld. Verstrickung in Schuld gibt es, solange es Menschen gibt, und alle Versuche, den Menschen zu bessern, Versagen und Böswilligkeit weg zuerziehen, haben das Phänomen der Schuld nicht beseitigen können. Es gibt sie immer noch und es wird sie geben, solange es Menschen gibt. Wir können uns nicht davon befreien, "die Schuld ist zu groß für uns",
weiß schon der Psalm 65,3. Es gilt das Wort des Philosophen: "Nur ein Gott kann uns retten." Nur Gott kann uns retten - aber wie? "Er tritt für die Schuldigen ein."


Dieses Wort aus der ersten Lesung von heute sagt die Rettung an. Es steht im Buch Jesaja, aufgeschrieben in der Zeit des babylonischen Exils. Das verschleppte Volk Gottes hatte gelernt einzusehen, warum es in diese tiefste Erniedrigung gekommen war. Aber wie sollte es je wieder frei werden? Da verkündet der Prophet die Frohbotschaft von dem Gottesknecht:
"Er tritt für die Schuldigen ein." Dieses prophetische Wort wurde für Jesu Jüngerinnen und Jünger zum Schlüssel, Jesu Weg zu verstehen, seinen Tod am Kreuz zu erklären und zu deuten:
Jesus von Nazaret, der Gottessohn, er, der durch Gottes Tat und Kraft nicht schuldhaft verstrickt war in das Böse der Welt und des menschlichen Lebens, er bricht die Ketten der Schuld auf, indem er als Mensch Gott und dem Guten zugewandt bleibt bis zum Tod. Er widersteht der Versuchung des Bösen selbst in der Qual seines Sterbens:Wir hören kein Wort des Fluches über die, die ihn verurteilen und zu Tode bringen. Nein, er betet für sie: "Vater, vergib ihnen."


Jesus zerbricht die Ketten der Schuld, weil er darauf verzichtet, Böses mit Bösem zu vergelten, die Spirale des Bösen, die Verstrickung der Schuld kommt in Jesus ans Ende, er bricht zerbricht die Ketten, in die wir gefesselt sind. Und so tritt er als Auferstandener vor Gott und betet: "Die Schuld ist zu groß für die Menschen, es geht über ihre Kräfte sie zu überwinden. Vergib du ihnen!" Wenn wir das Kreuz hier vor uns haben, dann ist unsere Kreuzverehrung ein Zeichen der Anerkennung, der Ehrfurcht vor seinem Gottvertrauen, vor seiner Bereitschaft, die Verstrickung in das Böse, die Ketten der Schuld aufzubrechen durch seine Liebe. So können wir nur unser Haupt neigen vor dem Größten, den wir Menschen in Jesus sehen können.
Er lässt uns den Blick wieder heben, er löst unsere Schuld, er macht uns frei. Und lädt uns ein, ihm darin zu folgen: Auch wir können vergeben. Wir können einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass die Spirale des Bösen gebrochen wird - durch unsere guten Taten, durch unsere Liebe, die wir weiter schenken und durch unsere Versöhnung, die wir anderen gewähren.

Sich der Schuld entgegenzustellen und Versöhnung zu leben, das ist keine einfache Sache. Das macht man nicht "mit links". Es kostet etwas, kostet viel, sich dem entgegenzustellen, was
hartnäckig unsere Welt und unser Leben bestimmt. Jesus hat sein Leben dafür gegeben. Auch wenn die Schuld in unserem Leben bleiben wird, so können wir sicher sein, dass er vor Gott für uns eintritt. Und so werden durch Jesu Lebenseinsatz nicht die Schuld, nicht das Böse das letzte Wort haben, sondern die Vergebung und die Liebe.Das ist die Rettung, die uns von Jesus her kommt.


"Nur ein Gott kann uns retten." Ja, Jesus der Gottmensch hat uns gerettet.
Amen.

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