Doch der Reihe nach. Maria von Magdala ist in allen vier Evangelien ausdrücklich als Zeugin der Verhaftung, der Kreuzigung, der Grablegung und der Auferstehung genannt (Mt 28,1; Mk 15, 47; Lk 24, 10;Joh 20, 1). Die anderen Frauen, die mit ihr genannt werden und die als Gruppe Jesus begleitete auf dem Weg von Galiläa bis nach Jerusalem, werden jeweils mit unterschiedlichen Namen belegt. Ihr Name aber ist durchgängig. Allein dieses Zeugnis hätte ausreichen müssen, um für die Frauen in den Gemeinden und der späteren Kirche ihre Verkündigungs- und Leitungsfunktionen zu begründen und zu bewahren. Denn wenn Frauen in einem ansonsten männlich geprägten Text Erwähnung finden, dann war ihre Bedeutung herausragend. Frauen der späteren Jesusgruppe und der Kirchengemeinden beriefen sich auf Maria von Magdala, um sich gegen Anfeindungen zu verteidigen. Und es gab Verschiedene Linien in der Verbreitung des christlichen Glaubens. Man berief sich auf den Apostel Johannes, eine Glaubensrichtung, die sehr charismatisch war, aber immer wieder betonte, dass sie sich der Petruslinie unterordnen. Es gab die Linie um den Apostel Thomas. Da gibt es heute noch die Thomaschristen in Südindien in Kerala. Und es gab schließlich die Linie des Apostels Petrus.
Damit gab es eine Entwicklung die Paulus schon in den 50er Jahren befürchtete, wenn er sagt: Ich ermahne euch... seid alle einmütig und duldet keine Spaltungen unter euch. Ich meine damit, dass jeder von euch etwas anderes sagt: Ich halte zu Paulus – ich zu Apollos – ich zu Kephas (Petrus) – ich zu Christus. Ist denn Christus zerteilt? (1 Kor 1, 12f.) Leider gab Maria von Magdala ihrer Verkündigung einen Akzent, der in Widerspruch geriet zur „Petruslinie“. Die Petruslinie setzte sich durch und daraus entwickelte sich die heutige Römisch-Katholische Kirche und der Ansatz der Maria von Magdala wurde verdrängt und damit letztlich auch die Frauen selbst, die sich auf sie beriefen. Das hängt auch damit zusammen, dass es sehr früh in der Kirche Irrlehren gab und man sich sehr schnell massiv dagegen wehrte. Mit dem Aufstieg der Jesusbewegung zur organisierten Religion und später zur Staatsreligion im Römischen Reich wurden die Frauen verdrängt, weil es nicht möglich schien Frauen in Ämter zu lassen, das war nur Männern vorenthalten. Das war nun das endgültige Aus für die Frauen in Führungspositionen.
In der frühen Jesus Bewegung jedenfalls waren die Frauen noch sehr aktiv. So berichtet die Apostelgeschichte des Lukas dass die erste Gemeindegründung auf europäischem Boden durch eine reine Frauengruppe geschieht. Lydia ist ihre mutige Sprecherin (Apg 16, 14). Paulus, der bereits ab dem Jahre 50 n. Chr. Briefe schreibt erwähnt viele aktive Christen. Da wird die Gemeindeleiterin Chloe erwähnt (1 Kor 1, 11) oder das Ehepaar: Priska und Aquila (1 Kor 16, 19). Im Römerbrief gibt es eine Grußliste (Kap 16), die lässt erkennen wie vielfältig und mutig der Einsatz von Frauen für das Evangelium war: Phöbe, die Gemeindeleiterin, eine Maria, die Apostolin Junia, Tryphäna und Tryphosa und Persis. Eine Julia. Es gehen Grüße an die Mutter des Rufus und an die Schwester von Nereus.Die Kirchenoberen müssen lernen, dass eine Kirche der Zukunft, die sich an Jesus orientiert, nicht darum herum kommt Frauen wieder in die Verkündigungs- und Leitungsrolle zu lassen, so wie das am Anfang der Kirche war.
Der Theologe Karl Rahner schrieb schon in den 1970er Jahren, dass die Lösung der Frauenfrage in der katholischen Kirche keine 100 Jahre mehr Zeit hätte und die Verweigerung der Weihe von Frauen theologisch letztlich nicht zu begründen sei. Und heute, über 40 Jahre später, ist die Frage nach wie vor ungeklärt. Nach wie vor wird oft immer noch mit den männlichen Aposteln argumentiert, die in der Nachfolge Jesu stehen. Neben der Tatsache, dass es noch vieler Schritte bedarf, um von den Aposteln zu unseren heutigen Amtsträgern zu kommen, ist das ein schwaches Argument, denn wir haben die Apostelin und Auferstehungszeugin Maria von Magdala, die sogar Apostelin der Apostel genannt wird. Papst Franziskus geht da, wie ich finde, interessante Wege. Er setzt auf die Wirkung von Wort und Bild, um Frauen in kirchlichen Leitungsfunktionen sichtbarer zu machen.
Einige deutsche Bistümer greifen diese Methode auf: Immer mehr Frauen werden in hohe kirchliche Verwaltungs- und Entscheidungspositionen berufen. Welche Frauen gibt es da schon in Führungspositionen? Johanna Rahner, seit 2013 Professorin für Dogmatik an der Universität Tübingen. Daniela Engelhard, Leiterin des Seelsorgeamtes in Osnabrück. Eine Ordinariatsrätin in der Erzdiözese München-Freising. Renate Kexel, eine von drei ehrenamtlichen Gemeindeleiterinnnen von St. Ursel in Oberursel, die in einem Team ihre Arbeit machen. Judith Borg, Pastoralreferentin, lebt in einem Pfarrhaus, verheiratet, zwei Kinder und einen Hund. Menschen nennen sie Frau Pfarrerin von den Katholiken. Das zeigt doch, Menschen hierzulande haben keine Probleme mit Frauen in Führungspositionen. Irgendwann wird es selbstverständlich und normal sein, dass Frauen dort präsent sind. Die Entwicklung wird hier weiter gehen.
Frauen übernehmen bereits in den Gemeinden vielfältige pastorale Aufgaben. Als Pastoralreferentinnen und Gemeindereferentinnen. Wenn wir dieses Handeln der Frauen in der Kirche haben, dann müsste die sakramentale Weihe eigentlich notwendige Konsequenz daraus sein. Eine Weihe bedeutet, sakramental ein Handeln zu legitimieren, das im Auftrag der Kirche und in persona Christi, also im Namen Christi stattfindet. Tote Frauen wie Hildegard von Bingen oder Maria von Magdala kommen zu höchsten Ehren. Die eine ist Kirchenlehrerin, die andere wird Apostelin der Apostel genannt, mittlerweile mit eigenem Feiertag. Maria, die Mutter Jesu stehe ohnehin höher als jeder Bischof, erklärt Papst Franziskus bei vielen Gelegenheiten. Nur lebende Katholikinnen haben es deutlich schwerer. Glaubwürdigkeit und Gleichwertigkeit der Frauen werden zwar in Dokumenten der Glaubenskongregation betont, aber von der Weihe sind sie nach wie vor ausgeschlossen. Die amtliche Struktur von Kirche ist jedenfalls nicht in Stein gemeißelt, sondern sie hat sich entwickelt und verändert und Kirche hat sich dabei stets auch von der Lebenswelt beeinflussen lassen. Im Herbst steht in Rom die Amazonas-Synode an. Alle Bischöfe aus dem Raum des Amazonas mit Schwerpunkt Brasilien treffen sich. Es geht um die Gemeindeleiter und -leiterinnen, die in den Kirchengemeinden tätig sind, da wo es keinen Priester mehr gibt. Es geht um die Frage ob sie die Weihe bekommen, damit diese auch Eucharistie in den Gemeinden halten können. Wir können gespannt sein, wie sich die Kirche entwickeln wird. Eine Kirche von Männern und Frauen ist auf jedenfall ganz im Sinne Jesu, hat er doch eine der wichtigsten Zeugen berufen: Maria von Magdala.
Mit Ideen von: Johanna Rahner (*1962), seit 2013 Professorin für Dogmatik, Dogmengeschichte und Ökumenische Theologie an der Universität Tübingen. Aus der Schriftreihe der Jesuiten 2019/2: Kirche der Frauen