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Kleine Glocke in der Turmlaterne ist unbekannt – Rund eine viertel Million Euro wird die grundlegende Sanierung des Kirchturms in der Gemeinde Herbstadt kosten. Bürgermeister Georg Rath, der nach dem Einrüsten des Turms nach oben gestiegen war, um die Schäden zu betrachten, hatte nicht gedacht, daß sie so gravierend sind. Vor allem die Balken an der "Laterne" des Turms sind durch Wind und Wetter stark in Mitleidenschaft gezogen. Das gilt aber auch für Teile des geschieferten Turmes. Hier muss sich erst noch zeigen, ob der Schiefer teilweise oder ganz erneuert werden muß. Ganz oben direkt am Turmkreuz stellt man dann fest, daß auch hier entsprechende Arbeiten notwendig werden. So muß die Kugel neu vergoldet und auch das Kreuz und der an einem Querbalken befestigte Halbmond muss instand gesetzt werden.

Zunächst aber sind die Arbeiten am Turm erst einmal aus Tierschutzgründen eingestellt. In der Turmmauer entdeckte man nämlich einen brütenden Turmfalken und mittlerweile sind dort drei Jungen, die von den Eltern gefüttert werden. "Erst wenn diese ausgeflogen sind kann am Turm weiter gemacht werden," sagt Kirchenpfleger Klaus Schmitt. Dies geschieht in Absprache mit dem Bund Naturschutz. Der Herbstädter Kirchturm hat schon einige Jahrhunderte "auf dem Buckel."  Der Turmunterbau wird von Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert (Sternberg) in das 14. Jahrhundert gelegt. Die Bauzeit des ersten, bereits 1345 als Pfarrkirche bezeichneten Gotteshauses ist unbekannt. Sicher ist, daß der Herbstädter Kirchturm im Jahr 1580 eine neue Spitze erhielt. Die Kirche selbst hatte damals drei Altäre, wobei der Hochaltar dem Heiligen Kreuz, die Nebenaltäre der Mutter Gottes und der Heiligen Katharina geweiht waren.

 Für den Kreisheimatpfleger scheint es seinen Recherchen zufolge möglich, dass 1613 ein Neu- oder Umbau der Kirche erfolgte. Das Obergeschoss des heutigen Kirchturms soll jedenfalls um diese Zeit errichtet worden sein. Im Staatsarchiv in Würzburg ist in Unterlagen nachzulesen, daß 1614 Überlegungen für einen neuen Kirchturm in Herbstadt angestellt wurden. Dieser sollte sieben Meter in der Viering und 20 Meter bis unter das Dach hoch sein. Die Spitze mit Laterne wird auf nochmals fünf Meter benannt. Als 1670 die Kirche neu gebaut wurde, weil sie zu klein geworden war, ließ man den Kirchturm stehen. 1719 erhielt der Herbstädter Kirchturm seine heutige Haube. In den Dokumenten der Kirchturmkugel findet man die Notiz, daß die neue welsche Haube in Herbstadt gebaut wurde. Zimmermann war Balzer Kanzler aus Heustreu. Interessant: Er bekam für seine Arbeit zu den 60 Gulden, drei Malter Korn und zwei Eimer Bier. Das Holz stammt aus Oberessfeld und aus Hellingen in Thüringen. Der Schiefer wog 2000 Zentner. Das Vergolden der Turmkugel und des Turmkreuzes kostete acht rheinische Gulden. Das Kreuz wog 90 Pfund.

 1851 wurde die Kirche neu gebaut, Sand und Steine kamen vom Steinbruch in Sulzfeld. Letztmals wurden 1978/79 Kirchturm und die Außenfassade renoviert. In den Unterlagen der Herbstädter Chronik findet man auch den Hinweis auf ein kleines Glöckchen in der Turmlaterne mit einem Gewicht von 15 Kilogramm. Auf Nachfrage teilt Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert mit, daß das Glöckchen aus der gleichen Zeit wie das Viertelglöckchen in Wülfershausen stammen dürfte, also wohl aus dem 15. Jahrhundert. Es war wohl einst ebenfalls Bestandteil eines alten Uhrwerks im Kirchturm und wurde dann nicht mehr benötigt. "Es zählt zu den in unserer Gegend auffällig häufig vertretenen Glocken, die neben der zeitlichen Nähe ihrer Entstehung vor allem durch die Art ihrer äußeren Gestaltung als Werke ein und derselben Gießerfamilie, die allerdings nicht bekannt ist, ausgewiesen sind."  In Herbstadt selbst weiß keiner von der kleinen Glocke unter der Turmhaube und kennt auch nicht deren Zweck.  Text: Hanns Friedrich

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