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Ökumenischer Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus – Ein Koffer, ein siebenarmiger Leuchter, ein Judenstern, das Modell der Synagoge von Königshofen und Kerzen am Altar der evangelischen Kirche von Bad Königshofen waren der Blickfang beim ökumenischen Schoa-Gottesdienst. Der evangelische Pfarrer Lutz Mertten und Diakon Rudi Reuter gestalteten mit der Musikgruppe Spilerey, sowie Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Bad Königshofen einen eindrucksvollen Gottesdienst, der Erinnerungen wach rief und betroffen machte. Anlass war der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Aus diesem Anlass haben Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Lebensläufe vom jüdischen Menschen aus Königshofen zusammengestellt

Diese Geschichten findet man nun unter anderem in einem Koffer, der am 1. Fastensonntag auf "Wanderschaft" geht.  Dort sind Gegenstände aus dem jüdischen Leben, Bilder und Texte der prachtvollen Synagoge, die einmal in der Bamberger Straße stand. Wichtig ist es Pfarrer Mertten, dass diejenigen, die noch etwas aus der jüdischen Geschichte von Königshofen wissen, es aufschreiben und dazulegen. Der Koffer steht jeweils eine Woche in der evangelischen, der katholische Kirche, im Rathaus, in der Sparkasse, der Raiffeisen- und Volksbank sowie in der FrankenTherme. Lutz Mertten: Jeder der den Koffer findet, soll merken: Das ist mein Koffer. Es ist meine Geschichte, die da drin steckt. Denn sie geht mich etwas an, sie hat mit meinem Leben zu tun, sie prägt mein Denken und mein Handeln. Und sie darf nicht verloren gehen."

Die Geschichte der Juden in Königshofen im Grabfeld arbeiteten dann Schülerinnen und Schüler der Klassen 9a und 9b des Gymnasiums auf. Von der Familie Josef Frank erzählten Theresa Buchholz und Lisa Weigand, von der Familie Henny Frank Lena Bregulla, Selina Roth, Michelle Schmitt. Die Franks zum Beispiel hatten eine Manufaktur für Weiss und Modewaren in Königshofen. Das Leben von Moritz Blechner aus Sulzdorf an der Lederhecke skizzierten Justin Höhn, Markus Klüpfel, Philipp Köberlein, Simon Rittweger,  das der Familie Josef Friedmann Kilian Baumgart, Lukas Gerstner, Korbinian Mertten, Bastian Wiesner und von der Familie Julius Hofmann berichteten Moritz Albert, Raphael Düchs, Michaela Suffa.

All diese Erinnerungen wird man unter anderem in dem Koffer finden, der "auf Wanderschaft" geht. Zum Koffer sagte Pfarrer Lutz Mertten, dass dieser abgegriffen ist und aussieht, als ob er schon viel erlebt hätte, "als wenn er durch Generationen von Leben getragen worden wäre." An die Gottesdienstbesucher richtete er die Frage, ob einer von ihnen schon einmal einen Koffer verloren hatte. Da komme dann die Angst hoch, wer ihn wohl jetzt hat, was er damit macht Immerhin enthält der verlorene Koffer ja persönliche Sachen. Der Koffer am Altar der evangelischen Kirche erinnerte an die Judenverfolgung, als die jüdischen Mitbürger, auch in Königshofen, alles abgeben mussten. Lutz Mertten: "Dieser Koffer wird von denen, denen er einmal gehören sollte nicht mehr abgeholt werden."

Wenn der Koffer nun am 1. Fastensonntag durch die Stadt "reist", darf ihn jeder aufmachen, reinschauen, sogar darin stöbern. Persönliche Dinge aus jüdischen Haushalten wird man darin finden, letztendlich die Geschichte eines Menschen. Zum Beispiel von Josef und Henny Frank, Moritz und Max Blechner, Josef, Bernhard und Gretchen Friedmann oder Julius Hofmann und viele andere. Bereits zu Beginn hatte der Pfarrer mit einem Gedicht des jüdischen Liedermachers Mordechaj Gebirtig: "Gehabt hab ich ein Heim, ein warmes Stückchen Raum, ein bißchen Wirtschaft, wie bei armen Leuten. Verbunden wie Wurzeln mit einem Baum. Gekommen sind sie mit Feindschaft, Hass und Tod. Was ich mit schwerer Mühe hab jahrelang gebaut, vernichtet haben sie es an einem Tag."

Auf den guten Besuch des ökumenischen Gottesdienstes kam der Pfarrer zu sprechen und sagte, er sei dankbar dafür, dass so viele gekommen sind. Er sprach die heutige Zeit an, in der immer wieder Fremdenhass, Deutschtümelei, Rassismus und auch Antisemitismus vorhanden sind. Auf die jüdischen Mitbürger in Königshofen kam Lutz Mertten zu sprechen und sagte, dass 1925 hier 108 gemeldet waren, 1933 waren unter den 1944 Einwohnern Königshofens noch 94. Heute ist kein einziger mehr in der Stadt. "Sie brauchen eine Heimat in unseren Erinnerungen." Diakon Rudi Reuter sprach nach einem weiteren Liedbeitrag ein Gebet, bevor er und Pfarrer Lutz Mertten an die sechs Millionen Toten und diejenigen erinnerte, "die starben, als Wahnsinn die Welt regierte und das Böse in der Welt wohnte." Man gedachte in einer Schweigeminute derer, die der eine oder andere kannte und derer, von denen selbst der Name verloren ist. Verbunden war dies mit der Bitte, dass ihr Opfer nicht umsonst war und solche Zeiten nie mehr kommen mögen. Nach dem Vater unser und endete die ökumenische Stunde mit dem gemeinsam gesungenem  "Hewenu shalom alejchem".

Lutz Mertten dankte im Anschluß den Schülerinnen und Schülern, Rainer Seelmann, den Instrumentalisten der "Spilerey" und dem Verein für Heimatgeschichte im Grabfeld, der das Modell der Synagoge zur Verfügung gestellt hatte. Viele nahmen sich dann die Zeit dieses Modell der Synagoge aus der Nähe zu betrachten und immer wieder hörte man "Welch ein schöner Bau...schade, dass er nicht erhalten werden konnte... eine schöne Feier... Gedenken ist wichtig."  Was so alles in dem Koffer ist? Auch hier gab es nach dem Gottesdienst kompetente Informationen von Pfarrer Lutz Mertten und Diakon Rudi Reuter.

Autor: Hanns Friedrich

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