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Ein Apostel bei der Sendung des Heiligen Geistes mit einer Brille auf der Nase, kann das sein? Diese Frage stellen sich Betrachter am Hochaltar der Stadtpfarrkirche in Bad Königshofen immer wieder. So auch beim Patrozinium am 15. August mit anschließendem Pfarrfest und Kirchenführungen. Am Hochaltar hat nämlich der erste Apostel eine Brille auf der Nase. Historische Unterlagen belegen, dass schon Archimedes (212 vor Christus) einen am Kopf befestigten Kristall zur Sehkorrektur getragen hatte. Später gab es in den Klosterbibliotheken sogenannte Lesesteine. Allerdings folgte erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Leseglas und Brille. Eine Brille zu Zeiten Jesu ist also eigentlich ganz unmöglich.

Allerdings gibt es noch ein Gegenstück und zwar den sogenannten „Brillenapostel“ des Altars der Stadtkirche von Bad Wildungen, der 1403 von Conrad von Soest gemalt wurde. Aufgrund entsprechender Unterlagen heißt es, dass dies die früheste Darstellung einer Brille nördlich der Alpen ist. Doch zurück zum Hochaltar der Stadtpfarrkirche von Bad Königshofen, denn auch hier ist ein Apostel mit einer Brille dargestellt. Dessen Geschichte ist aber eine ganz andere. Immer wieder hört man dann die Aussage: So etwas habe ich noch nicht gesehen. Ist das denn möglich? Was hat das zu bedeuten? Die Antwort hat vor sieben Jahren die Urgroßnichte des Münchner Künstlers Thomas Buscher, Charlotte Baumann-Hendriks, gegeben: Der Apostel ist mein Urgroßvater Thomas Buscher.  Wie sich nach und nach heraus kristallisierte, hat sein Freund, August Weckbecker, nach dem Tod Buschers, ihn als einer der Apostel bei der Pfingstszene dargestellt. Ein schwarz-weiß Bild., das Charlotte Baumann-Hendrik mit dabei hat, bestätigt dies.

Wer aber war dieser Thomas Buscher? Er studierte an der Akademie der Künste in München und war auch zu Studien in Italien. Schon früh interessierte er sich für die sakrale Kunst. Das ist auch seinem Skizzenbuch zu entnehmen, wo er als 17/18-jähriger schon Entwürfe machte und dabei sehr intensiv die Leute aus dem Volk beobachtete.  Er hat seinen Werken die Gesichter der Menschen der jeweiligen Gegend gegeben. Und noch etwas zeichnet den Münchner Künstler aus: Er ist ein Erzähler, sagt Baumann-Hendriks und verweist erneut auf den Bad Königshofener Hochaltar. Die Geschichten, die er erzählt werden in seinen Werken greifbar und begreifbar. So auch in Bad Königshofen, wo sich im Pfingstwunder, die Apostel zu Jesus hindrängen, oder die Engel am Altar, die im Gebet vertief am Tabernakel knien.

Nicht nur die Altarengel sind in Bad Königshofen von dem Münchner Künstler Thomas Buscher, sondern auch der überlebensgroße geschnitzte Gottvater, sowie die für Buscher so bekannten Vögel in den oberen Bereichen des Hochaltars. Aufgrund von Archivmaterial steht fest, daß Thomas Buscher, nur wenige Wochen vor seinem Tod, noch die Figur des Gottvaters schnitzte, der in seinen Händen das Kreuz hält. Nur noch einmal gibt es eine solche Darstellung Buschers nämlich im Dom zu Speyer. Hat er dort Gott Vater als einen fast jugendlichen Mann dargestellt, zeigt die Figur in Bad Königshofen einen alten, ergrauten Mann mit traurigem Blick. Wohl schon in Vorahnung seines Todes, sagte die Urgroßnichte Buschers, Baumann-Hendriks.

Heute noch ist der goldglänzende Hochaltar der Mittelpunkt der spätgotischen Hallenkirche von Bad Königshofen. Er ist in Kreuzesform geschaffen und zeigt auf vier Tafeln die  Erschaffung der Erde, die Geburt Christi, das letzten Abendmahl und das Pfingstwunder. Der Betrachter wird die schönen Engelfiguren links und rechts des Tabernakels bewundern, aber auch den alten, ergrauten Gott Vater, der mit leidvollem, ja fast vorwurfsvollem Blick den Betrachter direkt anschaut. Er hält seinen gekreuzigten Sohn den Menschen entgegen – so als wolle er sagen: Seht was ihr angerichtet habt... Das ist mein Sohn, der für Euch sein Leben hingegeben hat. Thomas Buscher hat es verstanden die wichtigsten christlichen Glaubenssymbole, hier zu vereinigen. Gefesselt wird der Blick aber auch von den Flügeln des Atars mit der Erschaffung der Erde, der Geburt Christi, dem Abendmahl und dem Pfingstwunder

Thomas Buscher selbst sah im Hochaltar von Königshofen sein letztes Werk.  Das hat er unter anderem 1935 in einem Brief an den damaligen Stadtpfarrer von Königshofen im Grabfeld  Adam Pfeuffer, den Auftraggeber geschrieben: „Mit der Ausführung der Figuren in Naturgröße habe ich bereits begonnen. Ich hoffe, bis der Winter vorüber ist, mit dem begonnenen  Mittelteil des Altars fertig zu werden.“. Das geschah allerdings nur zum Teil, denn Thomas Buscher starb während der Ausfertigung des Altars. Kurz nach dem Tod Buschers, teilt seine Tochter Cäcilie dem Stadtpfarrer mit, daß in  der Werkstatt ihres Vaters die unvollendete Figur Gott Vaters steht, der mit ausgebreiteten Händen ein leeres Kreuz hält. Der Anblick sei erschütternd, denn er habe tatsächlich mit seinen letzten Kräften, sich das große Werk, das er so gerne vollendet hätte, abgerungen. Cäcilie Buscher schickte schließlich ein Foto des Werkes an Pfarrer Pfeuffer und vermerkt dazu: „Sie sehen selbst, wie erschütternd dieser alte, müde Gottvater ist – wie unendlich hoheitsvoll, gerade in dieser Haltung. Es ist mir, uns allen ein Rätsel, wie unser Vater noch die Kraft hatte, diese Figur herauszuhauen.“.  Text: Hanns Friedrich

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