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Predigttext von Pfarrer Karl Feser Christmette 24. Dezember 2019 in der Stadtpfarrkirche Bad Königshofen.

Predigt Heilig Abend – In der Nacht Kön, 2019

Les 1: Les 2: Ev: Lk 2, 1-21 mit Ideen von: Heribert Prantl, Journalist

Weihnachten ist eine Provokation, Weihnachten ist eine Herausforderung, denn es geht darum Einiges zu retten.

Doch der Reihe nach...

Da tritt ein Engel auf und verkündet: „Fürchtet euch nicht!“ Es sind drei wundervolle Worte, die vom Engel gesagt werden: „Fürchtet euch nicht!“  Diese Worte sind kraftvoll, optimistisch, hoffnungsvoll, lebensbejahend. Dieser Fürchtet-euch-nicht-Engel tritt öfters auf. Er war bei Maria, um die Geburt des Gotteskindes anzukündigen. Da wird er sogar mit Namen genannt: Gabriel. Er war bei Josef als dieser sich entschloss, Maria in aller Heimlichkeit zu verlassen. Er wird wieder auftreten am Ende des Evangeliums, nach Ostern: „Fürchtet euch nicht!“ Dieser Engel tritt immer auf in schwierigen Lebensumständen, da wo einem die Hoffnung abhanden gekommen ist. Fürchtet euch nicht! Der Heiland ist euch geboren. Es wird alles gut. Fürchtet euch nicht! Gott ist mitten unter euch, das Reich des Friedens beginnt.

 Es sind schöne Worte. Diese Worte sind schnell daher gesagt. Aber lässt sich das auch glauben?  Kann man wirklich seine Furcht, seine Ängste ablegen, wenn wir uns die momentane Weltgeschichte anschauen? Damals war es der mächtige Kaiser Augustus der die weltliche Macht repräsentierte, der über das gesamte römische Reich regierte. Dagegen das göttliche Kind, der eigentliche Retter, Gesalbte und Herr. Heute haben wir als mächtige weltliche Herrscher Leute wie Trump, Erdogan, Orban, Le Pen; Xi Jingping. Trump leugnet alles, für ihn gibt es keinen Klimawandel. Recht und Verträge interessieren ihn nicht. Er liebt Deals. Es juckt ihn den Iran zu bombardieren, es juckt ihn einen gigantischen Zaun zu bauen, um Flüchtlinge abhalten zu können, es juckt ihn mit China einen Wirtschaftskrieg zu führen.  In der Türkei wie auch in Ungarn und Polen wird die Demokratie immer dünner, die Rechtsstaatlichkeit wird abgeschmolzen, Bündnisse zählen immer weniger, der Nationalismus ist wieder gefragt.

In der Natur stehen viele Zeichen auf Unheil. Da summt und brummt es viel weniger als früher. Das Zwitschern ist leiser geworden. Die Bienen sterben gerade massenweise. Die Bäume sterben, weil es an Wasser fehlt.  Fürchtet euch nicht!  Zwischen Staaten kommt es zu Konfrontationen. Die Zeichen stehen auf Krieg. Populisten und Extremisten haben wieder das Sagen. Die Humanität und das Gute Auskommen sind bedroht durch gemeine Rede und gemeine Tat. Durch politische Grobheit, Flegelei und Unverschämtheit. Anstand und Diplomatie werden verhöhnt. Respekt und Achtung werden missachtet. Angst und Furcht haben zwei Auswirkungen. Da ist einmal das Erstarren, so wie das Kaninchen vor der Schlange oder, nachdem der Schock überwunden wurde, das Aktiv-werden. Es gibt so viele starke Männer in unserer Welt, Mächtige, Verächter der Menschlichkeit, Abschaffer der Menschenrechte. Aber es gibt sie, die Menschensöhne und Menschentöchter, die aufstehen und etwas tun.

Da gab es ein Mädchen. 15 Jahre alt, klein, blass. Sie traute sich nicht unter Leute, hatte Panikattacken; sie konnte nur schwer Blickkontakt halten. Das Mädchen schaute Filme über die Klimazerstörung und dachte: „Ihr klaut uns unsere Zukunft!“ Eines Tages ging sie nicht zur Schule. Sie ging auf den großen Platz vor dem Königspalast in Stockholm. Sie hatte ein selbstgemaltes Schild dabei, auf dem stand: Schulstreik fürs Klima.Sie setzte sich einfach nur hin. Das Mädchen heißt Greta, Greta Thunberg. Ist da nicht ein Geist zu spüren, eine Wirkmacht, die hilft alle Lähmung zu überwinden? Die Kraft, die aktiv werden lässt?  Das Gegenteil von Angst und Furcht ist übrigens nicht Heldenmut, sondern Hoffnung. Diese Hoffnung entsteht beim Tun, sie entsteht in der Praxis des Widerstands. Diese Widerständigkeit hat nichts mit Aufruhr, Umsturz oder Gewalt zu tun, sie äußert sich nicht in lautstarken Umtrieben und Krawallen. Der Widerstand entsteht durch Widerspruch, durch Zivilcourage, durch einen aufrechten Gang. Er benötigt den Mut zu offener Kritik, die Demaskierung von üblen Zuständen.  Der Widerstand kann ganz im Kleinen passieren, er kann aber auch Sitzblockaden hervorbringen oder Kirchenasyl heißen. Der kleine Widerstand ist in vielen Fällen auch vor allem der Widerstand gegen die eigene Angst und Furcht. Gegen die eigene Bequemlichkeit, gegen das eigene Angepasstsein, gegen Sätze wie: „Nach mir die Sintflut!“ oder: „Alleine kann man ja ohnehin nichts bewirken!“ Für den Widerstand ist Greta Thunberg in ihrer Widerständigkeit ein Symbol geworden.

In diesem Sinn ist die Geburtslegende des Lukas eine Widerstandsgeschichte, denn dieses Kind wird später als Erwachsener auftreten und widerständig agieren gegen alle, die meinen, mächtig zu sein, gegen alle, die meinen Gott auf ihrer Seite zu haben, aber gleichzeitig die Menschlichkeit mit Füßen zu treten, gegen alle die meinen der fromme Glaube ist wichtig aber nichts an guten Taten vorweisen können. Und da wären wir bei der Menschlichkeit.  Frieden kann es nur geben, wo die Menschlichkeit und die Gerechtigkeit gelebt werden, wo die Liebe einen Platz hat. Gott wird Mensch um uns neu zu zeigen Mensch zu sein und sich einzusetzen für die Menschlichkeit. Lukas hat gegen Ende seines Evangeliums eine Vision: Es kommt einer auf den Wolken daher wie ein Menschensohn mit Macht und Herrlichkeit. Ein Menschensohn kommt, interessant! Nicht ein Gottessohn. Lukas spricht zu uns aus einer Zeit, da nannten sich die Herrscher Göttersöhne. Bei Lukas wird einer erhofft, der Menschlichkeit bringt, ein Menschensohn. Die Rettung kommt von einem, der nicht Grandiosität verkörpert, sondern Menschlichkeit, der vom Himmel in die Tiefe herunterkommt.  Das ist das wahrhaft Göttliche, dass uns die Menschlichkeit gebracht wird.

 Und nochmals zum Frieden...

An Weihnachten wird Erlösung verkündet in einer unerlösten Welt. Frieden auf Erden? Wo ist er denn? Haben wir überhaupt noch eine Friedenssehnsucht?  Haben Menschen, denen es umfassend gut geht und die sich nur wünschen, dass ihr schönes Leben nie zu Ende geht, eine Friedenssehnsucht? Weihnachten darf nicht missverstanden werden. Da geht es nicht um Kitsch. Nicht um Romantik und nicht um reine Innerlichkeit. Die Weihnachtsgeschichte ist eine Gegengeschichte zum Machtverständnis der Menschen. Wenn sich die Sehnsucht nach Frieden erfüllen soll, müssen wir in Bewegung kommen!  Der Friede Gottes, wie er an Weihnachten verkündet wird, ist eine Art Anfangsgeschenk an den Menschen, um selbst zu Menschen des Friedens zu werden in den aktuellen Umständen. Dazu eine weitere wahre Begebenheit. Ausgangspunkt ist die Angst, die Furcht, die aktiv werden lässt: In der Schwäbischen Alb lebt der Bauer Gerold Huber. Er war zunächst gegen die Unterbringung der Flüchtlinge in der Kaserne direkt neben seinem Hof und hat persönlich beim Landratsamt dagegen protestiert. Die Vorstellung, dass Tausende traumatisierte Menschen aus islamischen Ländern direkt neben seinem Hof leben sollten, machte ihm Angst. Der Bauer fürchtete um die Sicherheit seiner drei Kinder. Als die Flüchtlinge dann aber da waren, kamen manche auf seinen Hof, baten um Milch, und er gab sie ihnen. Er sah, dass auch viele Kinder auf dem Kasernengelände spielten. Seine Tochter ging dann häufig hinüber und half den Kindern bei den Hausaufgaben, auch seine Frau engagierte sich. Je mehr von den neuen Nachbarn Gerold Huber kennenlernte, umso netter fand er sie. Am Ende setzte er beim Landratsamt durch, dass die Flüchtlinge einen Shuttlebus ins Dorf bekamen.  Ist das nicht gelebte Menschlichkeit? Kehrt da nicht Frieden ein?

Was lernen wir daraus? Weihnachten sagt uns die Zukunft ist offen, sie ist nicht verstellt durch Katastrophen, auch wenn es so aussehen mag. Und Zukunft entsteht durch die Gegenwart. Wir haben es in der Hand Zukunft zu gestalten.Die Grundlage ist gelegt durch Weihnachten, durch die Geburt des Gotteskindes. An uns liegt es, die Menschlichkeit Gottes in die Welt zu bringen, seinen Frieden, der uns verheißen ist, seine Liebe, die uns geschenkt wurde. Weihnachten ist eine Provokation, Weihnachten ist eine Herausforderung. Ja! Wir sind herausfordert als Glaubende Zukunft mitzugestalten. Dabei geht es nicht darum auf der großen Bühne der Politik aufzutreten.  Im Kleinen fängt es an, da wo ich lebe, da wo sich mein Alltag abspielt. Durch die Geburtslegende des Lukas werden wir angestoßen, diejenigen zu sein, die Hoffnung, Frieden und Menschlichkeit in die Welt bringen.Fürchtet euch nicht! Heute werden nicht die Hirten gesendet, heute werdet ihr gesendet, in Bewegung zu kommen und aktiv zu werden.

Also auf eine gute Zukunft!  Amen.

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